Arch

Ein Name aus alter Zeit

Auf dem sanft ins Aaretal übergehenden Nordhang des Buchggberges, zwischen Büren an der Aare und Solothurn liegt das bernische Dorf Arch, gegenüber dem Jura, dessen feine Gliederung und ruhigen Linien im Teilstück Chasseral-Weissenstein-Röti-Hauenstein von unserem Arch aus sich besonders einprägsam zeigen.

Der Ortsname Arch klingt recht seltsam, ungewohnt für unser deutsches Sprachgefühl, ganz und gar unalemannisch, während doch die Dorfanlage auf eine typisch alemannische Besiedelung zur Völkerwanderungszeit (zirka 5000 bis 6000 Jahre nach Christi Geburt) zurückgeht. Tatsächlich ist der Name Arch, der uns so fremd anmutet, uralt. Er ist älter noch als das heutige Dorf; er ist zweifellos romanischen Ursprungs. Das lateinische Wort arca (= Kiste, Kasten) hat sich im schwäbischen archa (f) erhalten in der Bedeutung Wasser- Wehr, Befestigung des Ufers gegen das Reissen eines Flusses, auch als Befestigung = Steindamm an Bächen und Flüssen. Im 13. Jahrhundert sprach man den Ortsnamen bereits Arch aus, latinisierte darum das Wort mit Archo; in den ältesten Urkunden erscheint unser Dorf als Archo (1236) und als Archon (1275). Schon dieser kleine Sprachexkurs belegt, dass auf dem heutigen Gebiet von Arch, auf dem rechten Aareufer, in unmittelbarer Nähe eines schon in keltisch-römischer Zeit bekannten und viel begangenen Flussüberganges, Menschen ihre Wohnstätten hatten.


Drei Kirchenbauten

Die Kirche von Arch, welche hoch oben über dem Dorf und dem Aaretal thront und weit sichtbar mit ihrem reizenden Dachreiter über Felder und Häuser, über die graziösen Flusswindungen und die fruchtbare Ebene schaut, wurde ziemlich sicher ums Jahr 900-950 erbaut; doch muss gleich gesagt werden, dass diese erste Kirche im 13. Jahrhundert (das heisst ums Jahr 1250) umgebaut wurde (wir reden von der zweiten Kirche); und nochmals um 1520-1530 wurde die Kirche und besonders der Kirchenchor in vielen Stücken umgestaltet und vergrössert (Wir reden von der dritten Kirche). Die ursprüngliche kleinere Kirche im typischen und feinen romanischen Baustil wurde im Laufe der Jahrhunderte also mehrmals umgebaut. Schliesslich wurde 1958 eine durchgreifende Restauration vorgenommen und die Kirche erstand in neuer Schönheit. Grabungen innerhalb und ausserhalb der Kirche ergaben natürlich historisch und archäologisch sehr interessante Resultate. Zum Beispiel entdeckte man, dass die ältesten Kirchenmauern über einem uralten Gräberfeld errichtet worden waren, das heisst über einer einst heidnischen Kulturstätte. Im Mittelalter und noch im 18. Jahrhundert wurden im Kirchenschiff und Chor Bestattungen vorgenommen.


Sehr schön war der erste Kirchenchor ums Jahr 950 erbaut gewesen (edel geformte halbrunde Apsis). Das Kirchenschiff hatte hoch oben an den Seitenwänden je vier allerfeinste Rundbogenfenster. Diese erste Kirche enthielt noch keinen bildlichen Schmuck und die Fensterleibungen waren noch nicht verputzt. Im 13.Jahrhundert wurde aus uns unbekannten Gründen der schöne, kleine romanische Chor abgebrochen und durch einen längeren, rechteckigen ersetzt. Zudem erhielt das Gotteshaus damals einen aus mächtigen Tuffsteinquadern errichteten Chorbogen.

Wohl auch ins 13.Jahrhundert zurück geht die älteste Teilbemalung des Kircheninnern. Im 15.Jahrhundert (um 1450) wurde eine zweite und systematische Bemalung vorgenommen, die bei der Restaurierung im Jahre 1958 recht beschädigt zum Vorschein kam. Die kräftige Ornamentik der Chorbogenbemalung nebst einer Heiligenfigur neben der Kanzel hat man aufgefrischt; andere unkenntliche Reste von Fresken (zum Beispiel Spuren einer Christophorusfigur auf der Nordseite des Kirchenschiffes) wieder zugedeckt: man wollte aus dem ehrwürdigen ländlichen Gotteshaus nicht ein Museum machen, sondern einen Ort der Anbetung und der Wortverkündigung erhalten. Schliesslich um 1520-1530 erhielt die Kirche den heutigen, polygonalen Kirchenchor, an dessen Wänden keine alten Farbspuren entdeckt wurden.


Grosse Restauration 1958

Durch die geglückte Restauration im Jahre 1958 (Architekt Ernst Indermühle, Bern) wurde die Arch Kirche, die sich durch eine bevorzugte Lage auszeichnet, eine schöne und stille Stätte der Besinnung, über deren Architektur und Ausgestaltung die vielen Besucher des Lobes voll sind.

Der Taufstein (aus Gurtensandstein) stammt aus dem 16.Jahrhundert. Die Spätrenaissance-Kanzel kam 1672 in die Kirche. Sie ist aus einheimischen Hölzern (Tanne, Eiche und Birnbaum) erstellt. Der imposante Emporenunterzug trägt die Inschrift: «ANO 1589 IM 7. TAG BRACHMONAT.»

Orgelbauer Wälti, Gürnligen, schuf 1958 die klanglich herrliche Orgel mit dreizehn Registern - und ersetzte damit das im Jahre 1890 angeschaffte Harmonium. Kunstmaler und Bildhauer Peter Travaglini, Büren an der Aare, verdanken wir moderne Kirchenfenster.

Zum Teil beträchtlich alt sind die Wappenscheiben. Im 16. Jahrhundert schenkten Bern (1538), Biel (1534) und Solothurn (?) der Kirche eine Scheibe. Eine zweite Scheibe schenkte der Staat Bern nach der jüngsten Restauration, ebenso die Evangelisch-reformierte Landeskirche (1959).

Die für sehr tüchtige Handwerkerkunst zeugende Decke verleiht dem Kircheninnern durch langgezogene Felder, Weite. Überhaupt verleiht das viele verwendete einheimische Holz einen wohltuenden warmen Ton. Die früher als unschön empfundene Vogeldiele ist verschwunden, und das über den Mauerkranz hinausragende Sparrenwerk gibt der Kirche wieder jenes heimatlich-schöne Dach, wie wir es auf alten Kirchenansichten schätzen.

Im Glockenturm läuten zwei zweihundertjährige Glocken. Die eine trägt unter der Krone die Inschrift: «Ich ruoffe in gottes nahmen,/ damitt ich bring das volckh zuosamen » Und auf der kleineren steht geschrieben: «Ich lass mich herren in der zeit,/ bei tod und leben, freid und leid›› Auf beiden Glocken steht gemeinsam: «Joseph und Jost Kaiser, giesser in Solothurn. Johann Jakob Egli, pfarherr; Johann Jakob Wirdenheller, vicari; Hans Schwab, amman; Stephan Schwab, stadthalter; Hans Schwab, weibel. 1777.»

Grosse Namen

Seit 1270 sind uns die Geistlichen ziemlich lückenlos dem Namen nach bekannt. Bis zur Reformation (1528) waren es meist Mönche aus dem Kloster Gottstatt, die den Kirchendienst in Arch versahen, weil die Pfarrei (Pfrund) Arch dem Prämonstratenserkloster Gottstatt gehörte, das heisst der Abt daselbst besass das Patronatsrecht mit Kollatur über zwölf seeländische Kirchen (inklusive dem solothurnischen Selzach). Regelmässig hatten diese Geistlichen dem Abt Rechenschaft abzulegen von ihrer Tätigkeit. Es muss ein schöner Anblick gewesen sein, wenn diese Mönche in ihrer weissen Ordenstracht von Gottstatt nach Arch ritten. Ein tüchtiger Pfarrermönch, der in Arch bis 1524 wirkte (später in Selzach), muss Benedictus Knuchel gewesen sein, der sehr aktiv für die Glaubensänderung eintrat (wie übrigens auch der letzte Abt in Gottstatt); er predigte das Evangelium, schaffte die Messe ab, verheiratete sich. Sein Nachfolger, ebenfalls ein Kapitular aus Gottstatt, Gregor Erliner, kümmerte sich gar nicht um Glaubensfragen, wollte glauben und predigen, was die gnädigen Herren in Bern für recht hielten; jedoch das Wohlergehen seiner Tiere im Stall und auf der Weide lag ihm sehr am Herzen: er fühlte und dachte ganz wie ein Bauer; die Landwirtschaft war ihm wichtiger als die Pfarreiarbeit und die Seelsorge. Der hervorragendste Arch-Pfarrer war zweifellos Dekan Brandolf Wasmer, Pfarrer in Arch-Leuzigen (1649-1669). Er ist der Schöpfer der bernischen Landschulordnung und Reformator des Schulwesens in den deutschen und welschen bernischen Landen. Seine Schulgesetzgebung mutet in vielen Stücken sehr modern an und seine Bedeutung für die Volksschule reicht an diejenige eines Pestalozzis und Fellenbergs heran. Ihm verdankte das Bernerland vom Aargau bis in die Waadt wertvolle lmpulse und Segen. Für die Gemeinde war die Wirksamkeit von Pfarrer Emil Hugi (in Arch von 1874 - 1909) besonders segensreich. Diese vornehme Pfarrergestalt darf in keiner Kirchgemeindegeschichte vergessen werden. Emil Hugi, der im hohen Alter ganz erblindete und der sein Leiden mit vorbildlicher Gottesergebenheit trug, war ein Sohn des berühmten Solothurner Natur- und Gletscherforschers Franz Jos. Hugi.


Nutzlose Drohung

Bei der (oft mühsamen) Lektüre alter Kirchenschriften kann man hin und wieder ein Lächeln nicht unterdrücken. Hier drei Beispiele humorvollen Inhalts: 1799: «Des Müllers Schwab Schnitter aus dem Bipperamt wollten in der Nacht zu der Magd im Pfarrhaus zu Kilt gehen, sprengten gewaltsam das Fenster. Auf das Drohen der Magd, dass sie den Pfarrer rufen wolle, sagten sie, sie förchten den Pfarrer nicht.»

1762: «Den 15. Brachmonat, als ich (= Pfarrer Schneider) von Bern heimkam, fand ich meine morren (= Mutterschwein), die gross trug, verletzt und lam geschlagen»

1712: «Den 29 Herbstmonat haben sy (= wohl junge Dorfleute) mir den fischweyer uffgelassen und die fisch, so ich darein gekaufft, das Dorff ab geschickt»