Büren Kirche
Turmeinsturz um Mitternacht
Am 16. August 1963 berichtet eine Berner Zeitung: «Wer in der Nähe der Kirche von Büren an der Aare wohnt, wurde um Mitternacht (das heisst in der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag, 15. August) jäh aus dem Schlaf gerissen. Mit lautem Getöse stürzte der etwa 50 Meter hohe Kirchturm in sich zusammen. Übrig blieb nichts als ein riesiger Trümmerhaufen. Am Turm waren Renovationsarbeiten im Gange gewesen. Der Turm ist historisch nicht unbedingt wertvoll und lässt sich ersetzen. Unersetzlich dagegen ist der Kirchenchor, auf welchen die Schuttmassen fielen und der vollständig zerstört ist. Es handelt sich um einen Chor aus dem 13. Jahrhundert mit drei hohen Rundbogenfenstern und wertvollen Deckenmalereien (musizierende Engel, Evangelistensymbole). Wie ein Wunder mutet es an, dass der Einsturz nicht während des Tages erfolgte. Mehr als ein Dutzend Arbeiter waren mit den Renovationen beschäftigt; ein schreckliches Unglück hätte hier geschehen können.»
Der Turm steht längst wieder, in seiner Bauweise aus Beton und Backstein hoffentlich etwas solider als der erste aus dem morsch gewordenen Tuffstein (er stand immerhin während fast 500 Jahren !). Auch der Chor konnte als kunstvolle, getreue Kopie des alten wieder errichtet werden und es gelang sogar, Bruchstücke der alten Malereien aus dem Schutt zu bergen und in die restaurierten Fresken am Chorgewölbe einzufügen. Das Ereignis dieses Einsturzes jedoch ist noch wach in der Bevölkerung, und man erzählt, wie es einem damals zumute war, als man am frühen Morgen aus dem Haus trat, um wie üblich nach der Kirchturmuhr zu schauen und keine mehr zu sehen war. Und man zeigt Bilder des mit einem wüsten Haufen von Schutt, Trümmern und geknickten Gerüststangen aufgefüllten Chors.
Der Chor ältester Bauteil
Der Chor bildet sicher den ältesten Teil der Kirche. Im Übergangsstil von der Romanik zur Gotik erbaut - Bauform und Kapitellskulpturen lassen eine Datierung in das dritte Viertel des 13. Jahrhunderts zu - bildete der im Osten gerade geschlossene Chor bis um 1500 eine selbständige Kapelle, die aus zwei Jochen bestand und von einem Dachreiter gekrönt war, wo zwei kleine Glocken untergebracht waren. Die Glockenseile haben im ringförmigen Schlussstein des westlichen Chorjoches tiefe Rillen hinterlassen. Schiff und Turm der Kirche wurden erst um 1500 angebaut. Diesen einfachen Baustil einer frühgotischen Kirche - querschifflos, im Cho gerade geschlossen - trifft man in der Westschweiz (zum Beispiel in den Kirchen von Moudon und Romont) wieder. Damit zeigt sich, dass Büren am Rande der Einflusszone von Lausanne liegt.
1973 haben Grabungen ergeben, dass die Stadtkirche von Büren auf gewachsenem Boden steht und somit an dieser Stelle keine vorangehenden Kirchenbauten bestanden haben. Die Stadtkirche stand ja auch lange im Schatten der Wallfahrtskirche zu Oberbüren, die wegen ihres angeblich wundertätigen Marienbildes kurz vor der Reformation zu grossem Ansehen gelangt war. Da mit den Wundern («Erweckung›› von gestorbenen Kindern, um sie der Taufe teilhaftig werden zu lassen) arger Missbrauch getrieben wurde, musste diese Kirche nach der Reformation auf Geheiss des Bernischen Rates bis auf die Grundmauern geschleift werden. Erst damit erhielt die jetzige Kirche am Aareufer ihren heutigen Platz als Stadtkirche von Büren. Im Innern der Kirche betritt man den Chorraum über eine Treppenstufe und durch einen spitzen, seitlich profilierten Triumphbogen, der über Kämpfern in der Ostwand des Kirchenschiffs ansetzt. Das Altarhaus besteht aus zwei Jochen mit Kreuzrippengewölben, die durch einen Bogen, seitliche Pfeiler und eine zweite Stufe im Boden deutlich voneinander abgesetzt sind. Während die drei hohen, schmalen Fenster in der Ostwand, von denen das mittlere überhöh ist, und die beiden Rundbogenfenster in den Seitenwänden noch den romanischen Stil aufweisen, zeigen die spitz zulaufenden Kreuzrippengewölbe bereits den Übergang zur Gotik an. Das romanische Fenster in der Nordwand muss erst nach der Ausmalung des Chors geöffnet worden sein, wie die durch das Fenster unterbrochenen Malereien - Fragmente von Engelsflügeln und Gesichtern - beweisen. Die zwei gotischen Masswerkfenster in den Seitenwänden des Chors dürften um 1500 entstanden sein. An der Südseite des östlichen Chorjochs ist ein Priestersitz - zwei von einem Rundbogen zusammengefasste Kleeblattbogen - eingelassen. Er wurde 1906 nach dem stark verwitterten Original rekonstruiert. Rechts oberhalb des Zelebrantensitzes befindet sich ein Sakramentshäuschen mit fünfseitigem Grundriss. In der Mitte des westlichen Chorjochs, vor der zweiten Treppenstufe, steht der barocke Taufstein, der auch als Abendmahlstisch verwendet wird.
Wertvolle Skulpturen
Die Plastiken an den Kapitellen und den Hohlkehlen des Gurtbogens wurden ebenfalls in der Wende der Spätromanik zur Frühgotik gebildet und gehören zum Wertvollsten dieser Kirche. In den Hohlkehlen des Gurtbogens finden wir neben Blütenmotiven in reicher Fülle Menschen und Tiere dargestellt. Man erkennt unter anderem einen Pfauen, einen Fuchs, ein schnäbelndes Taubenpaar, Löwen, Hähne im Zweikampf, einen Vogel, der nach Futter pickt und andere Vögel in verschiedenen Stellungen. Dazu gesellen sich Wesen aus dem Reich der Phantasie: geflügelte Drachen und Fische mit Vogel- und Wolfsköpfen. Am nördlichen Bogenende finden wir einen Jäger mit Jagdhorn, der zusammen mit seinem Hund einen Hasen verfolgt: eine Esau-Darstellung? Eindeutiger sind in der Höhe Kain und Abel mit ihren Opfergaben zu identifizieren. Die Kämpfer und Kapitelle sind mit Tieren und Szenen aus der Bibel geschmückt. Auf der Nordseite wird die Geschichte von Adam und Eva dargestellt. Auf deın linken Nebenkapitell sehen wir Gottvater, wie er Adam und Eva zusammenführt. Am Hauptkapitell wird die zentrale Szene der bekannten Geschichte erzählt: die Schlange windet sich am Baum empor, Adam nimmt den Apfel aus der Hand von Eva, wird von Gott verhört und anschliessend mit Eva vom Engel mit dem hauenden Schwert aus dem Garten vertrieben. Auf dem rechten Nebenkapitell finden wir das erste Menschenpaar nach der Vertreibung aus dem Paradies: Eva spinnt Garn und säugt ihren ersten Sohn; Adam gräbt den Erdboden um. Auf der Südseite finden wir Szenen aus den letzten Kapiteln der Bibel: Aus der Vorstellungswelt des Jüngsten Gerichts und des Reiches Gottes erkennt man am linken Kapitell einen Engel, der die Seele eines Verstorbenen vor dem Teufel beschützt; am Hauptkapitell wagt Erzengel Michael die Seelen und Vater Abraham birgt sie in seinem Schoss. Daneben steht Michael im Kampf mit dem Drachen. Auf dem rechten Nebenkapitell sehen wir Jesus beim Gastmahl des Simeon, umgeben von seinen Jüngern und von Maria Magdalena, die seine Füsse salbt.
Rekonstruierte Malereien
Dıe Malereien an den Wänden und Gewölben des Chors sind um 1420 entstanden. Sie wurden durch den Turmeinsturz 1963 beinahe vollständig zerstört, konnten aber nach Photographien weitgehend rekonstruiert werden. Wir sehen neben Engeln an der Südwand im Ostjoch die Verkündigung an Maria (vom gotischen Fenster durchbrochen) und im Westjoch Maria in ihrem Haarkleid und an der Ostwand, oberhalb der drei Rundbogenfenster, wieder zwei Engel. Im östlichen Kreuzgewölbe gruppieren sich um Christus, der auf dem Schlussstein (der «Eckstein» !) dargestellt ist, die Symbole der vier Evangelien: Engel, Adler, Löwe, Stier. Dabei stehen je auf einem Schriftband ihre Namen: sanctus matheus, sanctus johannes, sanctus marcus, sanctus lucas. Auf dem westlichen Kreuzgewölbe sind vier auf Saiteninstrumenten spielende Engel dargestellt. Ein romanisches und ein gotisches Konsekrationskreuz finden sich auf der Nordseite des Chors und an der gleichen Seite des Schiffes.
Wappenscheiben
Die seitlichen Fenster des Chors sind mit Wappenscheiben geschmückt. Die Berner Wappenscheibe im romanischen Südfenster stammt aus dem Jahre 1618. Im gotischen Fenster auf der Nordseite befindet sich ein grösseres Glasgemälde: lm linken oberen Viertel steht die Wappenscheibe des Rodolphe de Benoit (de Benedictis), des letzten Abtes von St. Johannsen bei Erlach, 1503-1528. Darunter befindet sich ein Gemälde mit der heiligen Barbara, dem heiligen Christophorus und den Wappen des Schultheissen Michel von Schwertwendi und der Schultheissin Barbara Tillier, den Stiftern des Glasgemäldes. Rechts davon die Scheibe der heiligen Katharina (der Schutzpatronin der Kirche) mit der Märtyrerkrone, in der einen Hand die Bibel, in der andern das Schwert und zu ihren Füssen das Folterrad. Die vorliegenden Scheiben sind Kopien. Die Originale wurden 1503 von Hans Stumpf (heilige Katharina) und von Hans Hänle (heilige Barbara) gemalt und befinden sich im Historischen Museum in Bern.
Das Kirchenschiff
Das Langhaus des Schiffes, um 1500 erbaut, ist höher und breiter als der Chorbau und damit deutlich von diesem abgesetzt. An sich gerade und querschifflos ist im Innern durch die Anordnung der Bänke, von denen je drei unter der Kanzel und an der Nordseite quergestellt sind, doch ein Querschiff angedeutet, wodurch vor dem Triumphbogen ein Geviert entsteht. Die in vier Felder eingeteilte Holzdecke ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden. Innerhalb der Felder sind die Bretter fischgratförmig angeordnet und durch Rundstäbe voneinander getrennt, die mit einem umlaufenden Band bemalt sind. Farbig gefasste Flachschnitzereien zieren die rahmenden Friese. Die Felder sind ebenfalls bemalt: Chorwärts finden wir die Vier Evangelistensymbole und über der Orgelempore musizierende Engel. Ferner finden wir Fabelwesen und Blumen. An der Südseite ist die 1625 entstandene barocke Kanzel angebracht, deren Aussenseite mit Intarsien (Holzeinlegearbeit) geschmückt ist. Sie wurde im Laufe einer Renovation der Kirche um etliches herabgesetzt. Eine alte Sanduhr in einem reich verzierten Halter schmückt den Rand der Kanzel – ein weithin sichtbares Memento mori für die Gemeinde. (Oder eine Mahnung an den Pfarrer, die Predigt nicht zu lang zu machen?)
Die Orgel
Die erste bekannte Orgel in Büren an der Aare wurde 1770 durch Johann Conrad Speisegger aus Schaffhausen (eventuell auch durch dessen Sohn Johann Heinrich) gebaut. Sie bestand aus 11 Registern (9 im Manual und 2 im Pedal), die mit wenigen Änderungen bis 1907 existierte. Das heute noch erhaltene prachtvolle Rokoko-Gehäuse ist in der rechten Konsole mit 1772 datiert und stammt vom Berner Bildhauer Samuel Niklaus Diwy (1744-1790). Die Sammellisten für die Orgel aus dieser Zeit sind noch erhalten. Unter den Spendern finden wir Jeremias Gotthelfs Grosseltern, den Spitalvogt Johann Ludwig Kohler, seine Frau und seine Tochter Elisabeth (Gotthelfs Mutter). Ebenso erhalten sind noch die Abrechnungen an Speisegger und Diwy, der dort einfach Divi genannt wird. 1907 wurde von Goll in Luzern eine neue Orgel mit 18 Registern ins alte Gehäuse eingebaut. Diese Orgel wurde 1929 durch Ed. Schäfer, Basel, umgebaut und auf 28 Register mit pneumatischer Traktur erweitert. Das Programm der Einweihung, betitelt mit «Fest-Gottesdienst zur Einweihung der umgebauten und vergrösserten Orgel in der Kirche zu Büren an der Aare, Sonntag den 3. November 1929, nachmittags 3 Uhr» ist im Pfarrarchiv erhalten.
Die gegenwärtige Orgel stammt aus dem Jahre 1970 und wurde von Metzler, Dietikon, erbaut. Die alte Orgel hatte 1963 beim Turmeinsturz eine «Staublunge» erhalten und war nicht mehr zu reparieren. (Traurig war darüber eigentlich niemand, denn die alte Orgel war kein Wunderwerk.) Metzler baute dann ein wundervolles Konzertinstrument mit 24 Registern (Traktur und Registratur mechanisch). Der alte Orgelprospekt von 1772 (das einzige Gehäuse einer Speiseggerschen Orgel auf Berner Boden) blieb erhalten: Die neue Orgel wurde einfach wieder in das alte Gehäuse eingebaut. Zusätzlich erhielt die Orgel ein in den barocken Formen sehr schön nachgestaltetes Rückpositiv. Auch im Klang ist die neue Orgel einzigartig. Neben den Gottesdiensten wird sie auch an den regelmässigen Abendmusiken - oft von Musikern mit bekannten Namen - gespielt.
Der Turm
Das romanische Fenster an der Nordseite des östlichen Chorjochs, welches ins erste Stockwerk des Turmes blickt, weist darauf hin, dass der Turm später als der Chor erbaut worden ist. Um 1500 aus Tuffstein errichtet und mit einem Treppengiebel verziert, war er ursprünglich um ein Stockwerk niedriger als heute und ist wahrscheinlich noch vor dem hohen Schiff erbaut worden. Das Bild von J. Weibel aus dem Jahre 1824 zeigt diesen Turm, dessen Glockenfenster damals noch mit einem Rundbogen versehen waren. Den Treppengiebel trug der Turm wahrscheinlich als Zeichen der Würde: Die Stadtkirche von Büren war Hauptkirche des Kapitels (Bezirk); die umliegenden Kirchtürme wie zum Beispiel in Rüti, trugen dagegen nur ein einfaches Giebeldach («Käsbitz»). Im 19. Jahrhundert erhielt der Kirchturm von Büren ein weiteres Geschoss, um die Uhr aufzunehmen, deren Werk sich allerdings zwei Stockwerke tiefer, unter der Glockenstube, befindet.
Die Glocken
In den um 1500 errichteten Tuffsteinturm wurden damals die beiden kleinen Glocken aus dem Dachreiter auf dem Chor und zusätzlich zwei grössere Glocken (gegossen um 1521) eingefügt. Diese vier Glocken blieben bis 1963 im Turm und läuteten somit während über 400 Jahren. Sie sollen aber, da sie nicht miteinander gegossen und aufeinander abgestimmt waren, nie recht zusammen geklungen haben. Die beiden grossen Glocken wurden 1963 vor der Renovation des Turmes (und dessen Einsturzes) herabgenommen und hängen heute im alten Glockenstuhl auf dem Platz hinter der Kirche. Die grössere trägt die Jahrzahl 1521 und die Inschrift «Ave Maria gratia plena» sowie Reliefdarstellungen des Gekreuzigten mit Maria, Johannes, der heiligen Katharina, den heiligen Theodul, Antonius und Mauritius und der Madonna. Die beiden kleinen Glocken, von denen die eine ebenfalls mit dem Schriftband «Ave Maria gratia plena» verziert ist, sind bedeutend älter. Die eine steht zurzeit vor dem Kirchgemeindehaus und die andere ist im zum Heimatmuseum umgebauten Spittel ausgestellt. Die vier neuen Glocken, von denen die grösste (Johannes- oder Burgerglocke) mit den Wappen der Büren-Burger und dem alten und dem neuen Kirchturm verziert ist, wurden 1964 bei Rüetschi in Aarau gegossen. Sie läuten seitdem in den Tönen a, g, f und d den Bürern «z‘Predig».
Zahlreiche Renovationen
Während um 1480 die Wallfahrtskirche zu Oberbüren reichen Zufluss von auswärtigen Spendern genoss, musste das Städtchen mit grossen Opfern eigene Mittel aufbringen, um das spätgotische Schiff mit der prächtigen Holzdecke und den Turm an die bestehende Kapelle anzubauen, die jetzt zum Chor wurde. Dazu veranstaltete die Bauleutezunft öfters Kreuzgänge und Prozessionen mit Opfern «zu Kathrinen Bau» (die heilige Katharina war Schutzpatronin der Kirche). 1859-1861 fand die Erhöhung des Turmes mit Kreuzfirst und Spitzhelm statt, nicht unter der Zustimmung aller. 1906 erfolgte eine erste Renovation der Kirche. Die Grabplatten kamen an die Aussenwand. Das Gebäude wurde in das Verzeichnis der geschützten Kunstdenkmäler aufgenommen. 1963 sollte der Turm renoviert und das Spitzhelmdach durch das ursprüngliche Satteldach mit Treppengiebeln ersetzt werden, was der Turm, wie wir wissen, nicht überstand. Heute steht die Kirche wieder so da, wie sie war. 1973 wurden in einer vorläufig letzten Renovationsetappe Boden, Heizung und Bänke erneuert.
Einst an römischer Heeresstrasse
Büren liegt am rechten Aareufer und an der römischen Strasse, die von Aventicum nach Salodurum und Vindonissa führte und war im Mittelalter Brückenstadt und Marktplatz. Im Laufe der Geschichte wechselte die Stadt etliche Male den Besitzer. Im Bistum Lausanne gelegen, gehörte die Stadt ursprünglich den Grafen von Fenis und später den Nachfolgern dieses Geschlechtes, den Grafen von Nidau. 1292 verpfändete Graf Rudolf von Nidau die Stadt an Heinrich von Strassberg, Domherr zu Solothurn. Die Herren von Strassberg werden dann auch im Jahrzeitbuch der Kirche von Büren als Stifter der «Ecclesia de Buirro» genannt. Allerdings wird bereits 1185 eine Kapelle erwähnt. Bis 1332 war Büren eine Filiale von Oberwil. Danach bildete es eine eigene Pfarrei und besass einen eigenen Friedhof auf der Nordseite der
Kirche.
Diesseits und jenseits der Aare
1320 gelangte Büren durch Kauf an den Bischof von Basel. 1338 eroberten die Berner und Solothurner die Stadt, die inzwischen in österreichische Hände gekommen war. 1393 fiel sie endgültig an Bern. Das nördlich der Aare gelegene Reiben jedoch gehörte noch lange dem Bischof von Basel. Darauf deutet das auf der Nordseite der gedeckten Holzbrücke gelegene Restaurant «Baselstab» hin. Die Einwohner von Reiben gehörten zur Pfarrei Pieterlen und mussten, wenn sie in Büren heiraten wollten, zuerst die Erlaubnis des Pfarrers von Pieterlen einholen. So steht zum Beispiel in einem Kirchenrodel aus dem 16. Jahrhundert unter dem Jahr 1578 die Eintragung: «Bendicht Märgy von Reiben/ und Elsy ysch von Oberwil/ so zu Rütti dienet hatt / haben uss erloubnuss Ires pdcanten von Bietterlen Ir eh bstättiget sontags den 2. Nouvemb.» (Aus dem Ehe- und Taufrodel von Pfarrer Johann Hutmacher 1577-1588, aufbewahrt im Burgerarchiv zu Büren.) Die Bürener und die von Reiben sind nicht immer gut miteinander ausgekommen, es gab Reibereien. 1587 liess der Bischof von Basel auf der Nordseite der Brücke eine Säule (von den Bürern verächtlich «galgensul» - Galgensäule genannt) mit einer Fahne, die das Bildnis der Maria trug, aufstellen. Diese Fahne wurde am Ostermontag darauf des Nachts von der Stange gerissen und in die Aare geworfen, was natürlich das freundnachbarliche Verhältnis nicht besserte. «Kein nachpürliche trüw gegen uns zu Büren erzeigt: wir ouch one syn gegenwirtigkeit wol zaben zeren können.» … wir können auch ohne sein - gemeint ist wohl der bischöfliche Meier, der darauf eine neue Fahne aufrichten liess - Gelegenheit gut zu Abend essen), steht im genannten Hutmacher Rodel zu dieser Sache. 1866 kam dann Reiben endgültig zur Kirchgemeinde Büren, und auch um die gegenseitige «nachpürliche trüw» ist es heute anders bestellt.
Eine Fundgrube
Der genannte Hutmacher Rodel ist übrigens ein interessantes und lesenswertes Buch. Im damals viel gebräuchlichen schmalen Hochformat der Chorgerichtsmanuale stehen in einer wie gestochen schönen Handschrift (bei den Pfarrern eine Seltenheit !) nicht nur die Namen der frisch Getrauten, der Täuflinge und deren Eltern und Taufpaten, sondern auch hie und da kurze chronikartige Notizen, die uns einen guten Einblick in das Leben eines bernischen Landstädtchens des 16. Jahrhunderts geben. Da heisst es etwa, wie teuer das Korn und der Wein gewesen sind. 1581 erfahren wir: «Der wyn wol grathen. Diss ein vast trockner summer gsyn und ist der wyn so wol gerathen dass man nit vass und gschirr gnug hat mögen ankommen / dermassen dass man ouch alle Wynbüttinen vol gfüllt / und deckel darüber gmacht / die fugen oben herumb mit kalck verkleipt / und den Zapfen daryn gmacht.»
1585 heisst es dann allerdings: «Der wyn ouch übel geratten / suwr.» Was sich hier über die Trinkgewohnheiten des Pfarrerstandes herauslesen lässt, überlassen wir dem Leser.
1582 lesen wir: «Brunst zu Büren.» Das Städtchen ist im Laufe der Zeit etliche Male abgebrannt, besonders die Hintere Gasse, heute Spittelgasse.
1584 «Nota. Wassergrösse. Diss 84. Jar hatt vil zornige und müsälige wätter bracht. Insonderheit ist um pfingsten die Aar so gross worden / dass sie allenthalben übergloffen/ und zu Reiben in die Hüser glüffen: ist in zweyen tagen wider gfallen und abglüffen»
Darauf; ebenfalls 1584: «Nüw Schulthess uffgeritten. Uff herren Johansen Meyern allt schulthessen / siner verwaltung 6. Jar ist nüw geordneter Schulthess / her Simon Archer/ allhar gan Büren uffgeritte uff sonntag den 21. octob. In diesem ufritt hatt in sampt andern comitiert und presentiert Herr Bartli Archer vänner zu Bern. Als man nun diese herren / mit dem gschütz ordenlich ab dem zytglogkethum hat sollen empfahen / da bin ich Johann Hutmacher / als ein alter Schütz inen zu gäben gwäsen / zu dem pulfe sorg zehaben / und den schützen usszetheilen / Ouch so han ich inen alle ladungen gmacht: allweg in die gmeinen hagken (= Hakenbüchsen)/ ein Wursthörnlin vol in ein bapyrin bulferhüsslin (Papierpatrone?) gethon. Aber zu den toppelhaggen haben wir zwey Wursthörnlin vol oder zwo mladungen genommen. Haben also unser schiess Werk mit der hilf gottes glücklich vollendet / in zweyen tagen. Gott sige lob in ewigkeit.» Überschrift: Der Schuss von der Kanzel zu Büren an der Aare?
1585 heisst es dann: «Wilde schwyn gejagt» Die Wildschweine sollen aber den Jägern entronnen sein.
Und 1586 lesen wir: «Nüwe stül in der kilchen. Uff frytag vor ostere diss 86. Jars / haben wir die nüwen mannenstül allhie in der kilchen angfangen machen / sampt dem Chor und touffstein gfassett. ist in dryen Wuchen vollendet durch meister Rudolph Bütiger von Schnottwyl / werckmeister wellicher zuvor im 82. jar den mittlesten thurn nach der brunst an der hinderen gassen uffgerichtet. dieser buw der stülen hatt der gmein also gfallen / dass man die kilche hatt angfangen Wyssgen / und nüw bschossen am boden / Ist uff dem pfingstabend alles vollendet / mit der hilff gottes»
Wandel
Eine köstliche Notiz steht auf der ersten Seite des Rodels zu lesen. Da hat Pfarrer Hutmacher seine Vorgänger im Amt aufgeschrieben. Unter anderen: 1564: «H. Joachim Furer zog hiehar vo walperswyl pleib nit lang hie. er ward verklagt syn frow habe einem bättler ds allmusen versagt / sprechende / sy habe doch selb nur ein bättelpfrund. ward geurloubt. Ist letztlich (kürzlich) zu yegenstorf im kilchendienst gstorben.
Anno 1577.» Büren eine Bettelpfrund - der heutige Diener an der «Ecclesia de Buirro» kann sich dessen nicht erklagen.