Römisch Katholische
Gebiet der Kirchgemeinde:
Die Römisch-katholische Kirchgemeinde Seeland umfasst die Einzugsgebiete der Pfarreien von Lyss und Ins sowie diejenigen der sogenannten Mehrzweckgebäude (kirchliche Zentren) von Büren an der Aare und Täuffelen. Das Einzugsgebiet der Kirche Lyss zählt folgende Gemeinden: Aarberg, Bargen, Bühl, Busswil, Grossaffoltern, Hermrigen, Jens, Kallnach, Kappelen, Lyss, Merzligen, Niederried, Radelfingen, Schüpfen, Seedorf, Studen, Walperswil und Worben.
Gründung und Entwicklung der Pfarrei
Die moderne Wirtschaft und ihr Verkehr verursachten in den letzten Jahrzehnten eine grosse konfessionelle Verschiebung der katholischen und reformierten Bevölkerung. Dieser Tatsache Rechnung tragend, erachtete es im Jahre 1944 H.H. Pfarrer Lötscher aus Biel als seine Seelsorgerpflicht, die im ganzen Seeland zerstreuten Katholiken in Lyss zusammenzuführen, um daselbst in einem bescheidenen Raum, in einer Waschküche am Lyssbach, am 17. Dezember den ersten Gottesdienst zu halten.
Schon nach ungefähr einem Jahr konnte in wohlwollendem Einverständnis mit der Schulgemeinde von Lyss der Gottesdienst in den Singsaal des Kirchenfeldschulhauses verlegt werden. Auch dieser, mit der Zeit zu eng gewordene Raum, zwang den seit 1944 für das ganze Seeland verantwortlichen Vikar und nachmaligen Pfarrer, Kasimir Jäggi, für ein neues Gottesdienstlokal Umschau zu halten. In echt christlichem Einvernehmen konnte dann im Jahre 1953 von der reformierten Kirchgemeinde die alte, leerstehende Kirche bis zum Neubau der katholischen Kirche günstig gemietet werden.
Bevor an die Planung und an den Bau der neuen Kirche jedoch herangetreten werden konnte, musste die finanzielle Grundlage geschaffen werden. Im Jahre 1939 hiess der bernische Grosse Rat das Gesetz für die staatliche Anerkennung der katholischen Kirche als zweite Landeskirche gut. Damit war eine steuerrechtliche, finanzielle Basis geschaffen. Am 4. Dezember 1947 beschloss die katholische Kirchgemeindeversammlung von Biel, die Kirchensteuer von 6 auf 10 Prozent zu erhöhen und die zusätzlichen 4 Prozente in spezielle Fonds für zukünftige Kirchenbauten zu legen. So wurde auch für die Kirche in Lyss jedes Jahr ein bestimmter Betrag abgezweigt. Anderseits ist es das bleibende Verdienst von Pfarrer Jäggi, dass er während 15 Jahren seiner Seeland Seelsorgetätigkeit in unzähligen Bettelpredigten, Briefaktionen, Bazars usw. nahezu die Hälfte der Bausumme in mühsamer und zäher Arbeit zusammengetragen hat.
Der lange Weg
In kluger Voraussicht konnte Pfarrer Lötscher für die Kirchgemeinde Biel, mit Hilfe der Herren Sibold, Wagner, Käser und Bründler, gegenüber dem Zeughaus in Lyss ein Landstück von rund 4000 Quadratmeter Fläche für den Bau einer zukünftigen Kirche erwerben. Im Jahre 1952 wurde vom Kirchgemeinderat Biel ein Wettbewerb für eine Kirche mit Pfarrhaus, Unterrichtsraum und Turm ausgeschrieben. Sechs Architekten haben sich daraufhin daran beteiligt. Den ersten Preis gewannen die Gebrüder Bernasconi von Biel. Nach vielen Vorverhandlungen und Abklärungen zwischen dem Kirchenrat Biel und dem Katholikenverein Lyss bestellte der Kirchenrat am 22. Februar 1954 eine Studienkommission, bestehend aus den Herren Pfarrer A. Jeanneret (Präsident), F. Brunner (Vizepräsident), A. von Däniken (Sekretär), Vikar K. Jäggi, L. Desalmand, C. Cattoni, P. Duff und J. Zuber. Nach einem Jahr intensiven Studiums und verschiedener Bereinigungen konnte die Kommission, im Einverständnis mit dem Kirchenrat, das reife Projekt am 8. März 1955 der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung vorlegen. Das Projekt wurde einstimmig angenommen und der nötige Kredit dazu gesprochen. Der Weg für den Baubeginn stand nun frei, obschon mancherorts wegen der unbefriedigenden Lage für die zu erstellende Kirche ein gewisses Unbehagen empfunden und diese Ansicht auch bei den verantwortlichen Stellen Zum Ausdruck gebracht wurde. Glücklicherweise befasste sich die Einwohnergemeinde Lyss zur gleichen Zeit mit einer neuen Ortsplanung. Da der Bauplatz der zukünftigen Kirche in einer Industriezone gelegen war, trat die Gemeindebehörde Lyss an den Kirchenrat Biel mit dem Wunsche heran, ob es nicht möglich wäre, die Kirche in einem Wohnquartier zu bauen, falls das entsprechende Bauland zur Verfügung stehe. Der Kirchenrat gab sofort seine Zustimmung und in nochmals langwierigen Verhandlungen konnte endlich am Oberfeldweg, in schönster Lage, von der Erbschaft Arn ein Grundstück von 3500 Quadratmetern erworben werden. Obwohl viele Katholiken des Seelands etwas enttäuscht waren, dass der Beginn des Kirchenbaues nochmals hinausgeschoben wurde, ist die Freude und Genugtuung heute gross. besonders weil diese Lage der Kirche unvergleichlich schöner ist, als es die frühere gewesen wäre. Auch die folgenden Generationen hätten den Fehler bestimmt nicht verziehen, hätte man den Bauplatz nicht gewechselt.
Die Arbeit begann nun also wieder von neuem. Die Architekten Bernasconi wurden sofort beauftragt ein neues Projekt auszuarbeiten, da sich das vorliegende in den neuen Situationsplan nicht übertragen liess. Schon nach drei Monaten konnten die Architekten einen neuen Entwurf vorlegen. Um Zeit zu gewinnen, beauftragte der Kirchenrat eine Aufsichtskommission, bestehend aus den Herren F. Pareth (Präsident),F. Brunner (Sekretär), P. Amgwerd, A. von Däniken, Pfarrer K. Jäggi und A. Torriani, welche die Aufgabe hatte, mit dem Gesamtkirchenrat und den Architekten alle einschlägigen Probleme des neuen Projektes zu lösen. Nachdem alle Offerten eingegangen und die Pläne 1:50 bereit lagen, konnten diese am 6. März 1958 der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung zur Genehmigung vorgelegt werden. Das Projekt wurde von der Versammlung einstimmig gutgeheissen. Die Bausumme war die gleiche geblieben, obschon in den inzwischen vergangenen zwei Jahren im Baugewerbe eine merkliche Teuerung eingetreten war.
Der Bau der Kirche
Am Laetare-Sonntag im März kam der langersehnte Tag des ersten Spatenstiches, welcher von Pfarrer Kasimir Jäggi ausgeführt wurde. Der bischöfliche Kanzler Dr. A. R. von Rohr aus Solothurn segnete den Bauplatz und hielt die Ansprache. Etappenweise wurden nun die verschiedenen Arbeiten vergeben. Es wurde streng darauf geachtet, dass das Baugewerbe und die Handwerker von Lyss und Umgebung nach Möglichkeit berücksichtigt werden konnten. An das gute Einvernehmen zwischen Protestanten und Katholiken darf auch in diesem Zusammenhang wieder erinnert werden, wurden doch über 50 Prozent der Arbeiten von reformierten Firmen ausgeführt. Rasch wuchsen die Fundamente aus dem Boden, so dass am Samstag, den 26. März 1958, Bischof Dr. Franziscus von Streng den Grundstein legen und einsegnen konnte.
Begünstigt durch das schöne Herbstwetter und den milden Winter 1958/59 konnte das Bauprogramm ziemlich genau eingehalten werden. Die Arbeiten schritten auch gut voran, dank der reibungslosen Zusammenarbeit zwischen Architekten, Bauführung und Bauherrschaft einerseits und den verschiedenen Unternehmern und Handwerkern anderseits. Einzig die grosse Nordfront der Kirche, für welche ursprünglich einfache, verglaste Betonelemente vorgesehen waren, machte der Aufsichtskommission, dem Kirchenrat und den Architekten einiges Kopfzerbrechen; denn der Entwurf einer grossen, farbigen Glasfassade, vorgelegt von Peter Travaglini, Maler und Bildhauer von Büren an der Aare war so verlockend schön, dass der Kirchenrat seine Zustimmung für diese Ausführung unter der Bedingung geben konnte, dass keine Kreditüberschreitungen in Frage kommen. Die Lysser Katholiken haben auch die volle Verantwortung für diese Glasfront übernommen. Es gelang den Architekten im Gesamtbau gewisse Einsparungen zu machen, welche die Schaffung der künstlerisch hochstehenden Fenster ermöglichten. Infolge einer Grundstückbereinigung konnte mit dem Bau des Turmes ziemlich spät begonnen werden. Das günstige Wetter half jedoch mit, dass er auf den 22. März 1959, dem Tag der Glockenweihe, fertiggestellt wurde. Die Einsegnung der Glocken an diesem Tag vollzog Prälat Dr. Schnyder, Direktor der inländischen Mission. Durch ungenannt sein wollende Spender wurde die Anschaffung der vier Glocken, e - fis -gis - h, ermöglicht, so dass nun eine Christus-, Marien-, Josephs- und Schutzengelglocke ihre eherne Sprache über Lyss hinaustragen. Der Kirchenbau verlief reibungslos und ohne nennenswerte Unfälle, wofür dem Allmächtigen und allen Beteiligten herzlich gedankt sei. Am 12. April 1959 segnete Bischof Dr. Franziscus von Streng, nach beinahe anderthalb Jahrzenten beschwerlichen Weges, das neue Gotteshaus ein.
Die künstlerischen Arbeiten
Im Frühjahr 1958 erhielt Peter Travaglini, durch die Architekten Bernasconi den Auftrag, die künstlerische Ausschmückung des werdenden Gotteshauses anhand bereits bestehender Baupläne und eines Modells zu studieren. In der grossen Glaswand der Nordfassade und in den beidseitigen Dreieckfenstern sah der Künstler die geeignetste Möglichkeit für eine künstlerische Gestaltung in bezug auf die Gesamtkonzeption des Baues. Sowohl die vierzehn Seitenfenster als auch die grosse Glasfront dienten somit nicht nur als Lichtquellen, sondern auch als Träger der Symbole des Glaubens, die in der Kirche zur Darstellung kommen sollten sowie als dekorative Elemente der Aussenwände. Die durch frische Farbigkeit und Lichteffekte erzeugte Atmosphäre des Kirchenschiffes wurde so ein gewollter Gegensatz zum Chor, dessen Oberlicht bewusst im klaren Glas gehalten wurde, um den Altar als liturgisches Zentrum mit indirektem, ungefärbtem Licht in seiner eindeutigen Reinheit zur Geltung zu bringen. Nach intensivem Zeichnen und Entwerfen kam der Künstler zu einem Ergebnis, das die Architekten in der Grundidee zu überzeugen vermochte und im wesentlichen zu den endgültigen Plänen führte. Der Pfarrer und der Katholikenrat von Lyss stimmten dem künstlerischen Projekt von Anfang an begeistert zu. Nun konnten die Entwürfe dem Kirchenrat von Biel, als oberste Instanz, unterbreitet werden. Nach etlichen Sitzungen stimmte dieser den Vorschlägen insofern zu, dass er die Verantwortung für die Hauptfassade ablehnte und sie einzig dem Katholikenrat überliess. Das grosse Vertrauen, welches von Pfarrer Jäggi und seinen Mitkämpfern in Lyss sowie den Architekten Bernasconi dem Künstler entgegengebracht wurde, verliehen die nötige Zuversicht und den Mut, das begonnene Werk fortzusetzen. Nachdem die Themen gründlich mit dem Ortspfarrer besprochen wurden, befasste sich Peter Travaglini zuerst mit den sieben linksseitigen Dreieckfenstern: Sechstagewerk und der Ruhetag Gottes, Sinnbild der tätigen Gemeinde, sind in eher kalten Farben gehalten, mit Ausnahme des Mittelfensters, das den einzigen farbigen Akzent der Serie bildet. Diese fast nüchtern wirkende Darstellung der göttlichen Schöpfung verlangte als Gegenstück die warme, leuchtende Farbigkeit in den Symbolen der gnadenspendenden sieben Sakramente. Die klare Achitektur des Gotteshauses verlangte eine ebenso klare Form- und Farbgebung in den Seitenfenstern wie auch in der Hauptfront, wobei sich die Betonverglasung als sehr geeignete Technik erwies. Die grosse Wand wurde in strenger, flächiger Art in drei figürliche Motive aufgeteilt. Das Hauptmotiv, Symbol der Marienkirche, stellt die Gottesmutter mit dem Jesuskind als alles überragende Gestalt dar.
Das zweite Motiv, die Taube, Sinnbild des Heiligen Geistes, richtet sich direkt auf den Taufstein. Dadurch gliedert sich die Taufkapelle zwischen den beiden Eingangspforten, die in ihrer starken Farbigkeit dem kleinen Raum eine feierliche Atmosphäre verleiht, in die grosse Glaswand ein. Das dritte Motiv, der Fisch, steht als altes Christussymbol durch seine Anordnung mit dem Menschen heute auf gleicher Ebene. Als harmonische Ergänzung zur Farbigkeit der Gläser und im Bestreben, den ganzen Innenraum schlicht und ruhig zu gestalten, wurde danach getrachtet, möglichst einfache Formen und Materialien für die Kunstgegenstände wie Hochaltar, Taufstein, Tabernakel, usw. zu gebrauchen (Granit, Eisen, Bronze). Das Kreuz über dem Hochaltar an der Stirnseite wurde bei der Verschiebung des Altars zum Kirchenschiff hin durch ein Gemälde von Cuno Amiet, den Heiland am Kreuz darstellend, ersetzt.
Einfach, ruhig, schlicht
Nach einer alten Urkunde stand schon im Jahre 1009 auf dem Kirchhubel zu Ober-Lyss eine Marienkirche, die 1533 abgebrochen wurde, weil sie durch die andere Kirche zu Unter-Lyss, die heutige alte reformierte Kirche, welche im 11. oder 12. Jahrhundert gebaut wurde, an Bedeutung verlor. Die heutige katholische Kirche liegt abseits der Strasse. Der Vorplatz bildet symbolisch die Vorbereitung auf die Kirche. Er ist auf der einen Seite durch das Pfarrhaus und auf der anderen Seite durch den freistehenden Glockenturm begrenzt. Östlich des Pfarrhauses und mit diesem durch einen gedeckten Gang verbunden, ist an der südwestlichen Ecke der Kirche ein kleiner Trakt mit Sakristei und einem Unterrichtsraum angebaut. In den Jahren 1976/77 wurden diesem Trakt weitere Pfarreiräume angegliedert. Das Gotteshaus selber ist um mehrere Tritte erhöht, wodurch seine Bedeutung stärker betont wird. Durch einen bewusst niedrig gehaltenen Eingangsvorbau gelangt man in die Kirche. Sie wirkt innen relativ klein, bietet sie doch nur für rund 320 Personen Platz. Wände und Decken sind nach vorne verjüngt, dadurch laufen alle Linien des Raumes zum liturgischen Mittelpunkt, dem Altar, aus. Die Möblierung, einfache Holzbänke, ist entsprechend den zwei Eingängen durch zwei Seitengänge getrennt angeordnet. Die Decke ist ebenfalls aus Holz und hat dadurch eine harmonische Beziehung zur Möblierung. Das Licht für den Kirchenraum fällt von seitlichen Dreieckfenstern und der rückwärtigen Glasfront ein. Der Altar jedoch erhält, indirekt und unsichtbar von oben her, ein eigenes mystisches Licht. Dadurch wirkt alles ruhig und schlicht, aber auch feierlich und sakral, Auf jeden Schmuck wurde bewusst verzichtet, so dass die ganze Andacht auf das Zentrum, den um drei Tritte erhöhten und die letzte Steigerung des Kirchenraumes bildenden Altar, gerichtet wird. Der Altar wie auch die beiden Seitenaltäre, mit der Marienstatue und dem Tabernakel, sind graniten und sehr schlicht gehalten, wurde dabei doch auf jede effekthaschende Form verzichtet. Die zwölf Steinkreuze der Apostel, eine Bedingung zur Weihe einer Kirche, sind als kleine Granitplatten unauffällig in die Seitenwände eingelassen. Dem Altar axial gegenüber gelegen ist die Taufkapelle. Der Taufstein ist ein einfacher Granitwürfel und konkurrenziert keineswegs das schöne Glasgemälde des kleinen Raumes. Das bewusste Anstreben einer einfachen Gestaltung des gesamten Gotteshauses schafft etwas Beruhigendes und Befreiendes in der heute so ruhelosen Zeit. Doch hat es auch sein ganz spezielles künstlerisches Gepräge, ausstrahlend von der Glasfront der Eingangsseite und den seitlich hochliegenden Dreieckfenstern. Marie mit dem Jesuskind auf dem Arm, im Gedenken an die Zisterziensermönche, welche auf Frienisberg unter dem Bild «Unserer Lieben Frau von der Morgenröte» das Lob des Allerhöchsten sangen, die Taube hoch oben, als Träger des Heiligen Geistes auf die Taufkapelle gerichtet, und das Christussymbol, der Fisch, strahlen in einer prächtigen Farbenglut. Gleichsam als Trennung in der Höhe, über den Eingängen und der Taufkapelle, jedoch ohne die Sicht auf die Glasfassade zu behindern, befindet sich eine Empore mit seitlich angeordneter kleiner Orgel.
Der 25 Meter hohe Glockenturm will einerseits den Weg zur Kirche weisen und grüsst anderseits den Turm der reformierten Kirche und das Türmchen der Methodistengemeinde in ökumenischem Geiste. Er hat auch seine Bedeu-tung für die Einwohnergemeinde, bildet er doch zusammen mit demjenigen der reformierten Kirche die Dorf-Querachse zur -Längsachse der Bern-Biel- Strasse. Das Oberfeldquartier erhielt durch ihn einen Mittelpunkt, wie auch das gesamte Ortschaftsbild bereichert wurde.