die Vorfahren der Lengnauer

Das Gelände, auf welchem die beweglichen und unternehmungslustigen Lengnauer ihre Häuser immer weiter vorschieben, zog schon vor Jahrtausenden Leute an und lockte sie zu kürzerem oder längerem Aufenthalt, Als nach der letzten Eiszeit der Rhonegletscher sich zurückgezogen hatte, siedelten sich auf den Moränenwällen und Kiesböden die Pflanzen der Tundra an. Im Frühling erschienen, einem geheimnisvollen Wandertrieb folgend, gewaltige Renntierherden und weideten das Isländische Moos ab; im Herbst zogen sie wieder gegen Südfrankreich, um dort den Winter zu verbringen. Den leichtfüssigen Tieren folgte der grossgewachsene und künstlerisch hochbegabte Renntierjäger (16 000 bis 8000 v.Ch.) als Wildbeuter. Auf einem Moränenwall am Moosbach liess er sich nieder. Hier brannte sein Feuer, hier schlug er aus hartem und scharfkantig brechendem Feuerstein seine Geräte, Messer, Schaber, Bohrer und Stichel zum Bearbeiten von Holz, Horn und Knochen. Heute liegen diese Werkzeuge zwei Meter unter Gelände; in den Wassermatten hebt man sie oberflächlich.

Wärmer wurden die Zeiten; Trockenheit liebende Pflanzen aus den Mittelmeerländern nahmen die Gegend in Beschlag. Dazu gesellten sich einige Dählengruppen und zahllose Haselnussträucher. Auf sandigen Hügelkuppen und ins Moos vorspringenden Landzungen schlugen kleinwüchsige Leute ihre Zelte auf. Fische, Krebse, Frösche und Muscheln bildeten ihre Nahrung, ergänzt durch Beeren und Haselnüsse. Solche Wanderfischer (8000 bis 4000 v.Ch) lebten in den oberen Erlen und im Kleinfeld, in der Stierenmatt und im Hagedorn, in der Hüslen und in den Herbstbett.

Die Wärme hielt an; aber zu ihr traten reichliche Niederschläge. Ein fast undurchdringlicher Laubwald von Eichen, Linden und Ulmen bedeckte die Gegend. Mit Beilen aus alpinem Gestein wurden Bäume gefällt und Häuser errichtet, besonders im weichen Schlamm der Seeufer. Die zugewanderten Steinbeilleute (4000 bis 2000 v.Ch) kannten bereits Ackerbau und Viehzucht, Spinnerei, Weberei und Töpferei. Die Scherben ihrer Gefässe liegen im Kleinfeld und im Eyholz. Gejagt wurden die nämlichen Tiere, wie sie heute unsere Wälder beleben.

Während so der Boden von Lengnau aussergewöhnlich viele Funde aus der Steinzeit birgt, treffen wir nur selten auf Spuren der Metallzeit. Gegenstände aus der Bronzezeit (2000 bis 800 v.Ch) fehlen bisher, wie auch solche aus der älteren Eisenzeit oder Hallstattzeit (800 bis 400 vor Christi Geburt). Dagegen fand sich auf dem Obermooshubel ein kobaltblauer Glasring mit gelber Schmelzauflage, wie solche bei den Helvetiern (400 vor Christi Geburt) als Schmuck beliebt waren. Im übrigen macht sich die einstige Anwesenheit dieses Keltenstammes im Namen von Örtlichkeitcn bemerkbar: Ittenberg (Fichtenberg). Vielleicht waren es Helvetier, welche den Bankgranit im Dählenwald, den «Huppergrüebler», in einen Schalenstein verwandelten. Der 6 m3 haltende Wanderblock zeigt auf einer Fläche von einem halben Quadratmeter etwa 34 Schalen. Die rätselhaften, kreisrunden Näpfe haben bis 4 cm Durchmesser und 1,5 cm Tiefe.

Die nachmaligen Beherrscher der Helvetier, die Römer (400 n.Ch), legten Wege auch durch unser Gebiet. Der Name Hostris bezeichnet einen solchen; auch Därben soll eine Römerstrasse darstellen. Vom Hostris liegt ein rotes Gefässstück vor; vom Moosbach besitzen wir schwarze Tonscherben. Zwei spätrömische Münzen lagen, vielleicht in einer Opfergrube, unter der Konsumfiliale in der Närbe.

Bei der Ausreutung des Eichenwaldes auf dem Breitholz fanden sich Leistenziegel auf grosser Fläche. Das schönste Denkmal aus römischer Zeit stellt der 1868 gefundene Grabstein dar, welcher heute hinter dem Museum in Solothurn steht.

Dieser Monblanc-Granit hat die Form einer fünfkantigen Säule von 70 em Dicke und 100 cm Höhe, obschon der obere Teil des Denksteins abgebrochen ist. Nach der Inschrift zu schliessen, ist der 8 q schwere Block eine Weihgabe des Viktorinus an den Gott Silvanus.

Zur Zeit der Völkerwanderung (400 bis 800 n.Ch) siedelten sich, von Savoien her kommend, die bereits romanisierten Burgunder in der Gegend an. Zwar ist kein Reihengräberfriedhof bekannt, wie ihn Pieterlen und Grenchen besitzen: Aber Flurnamen, z.B.  Gummen und Gulmen, verraten die einstige Besiedlung des Gebietes durch Burgunder.

Später stiessen von Osten her die Alemannen vor und nahmen Besitz vom hiesigeen Boden. Von dessen Bewirtschaftung zeugen Namen wie Allmend, Bünden, Brühl. Aus der allemannischen Sprache hat sich die heutige Lengnauer Mundart mit den eigentümlich langgezogenen Vokalen entwickelt. – «Aaber jeetz woot i uufhöre ggüügsele, ssüsch …»