Die Meyenzinger Chilbi in Lyss
Eine meiner Mappen mit Abschriften aus Archiven, Buchauszügen und Zeitungsaussschnitten enthält Nachrichten über Chilbinen im Seeland, so die Frauchwilerchilbi, Aetingenchilbi, Schnottwilchilbi und andere, deren Besucher in frühen Zeiten zäntume vor Chorgericht zitiert und bestraft wurden. Bevor Oppligers Geschichte von Lyss erschien, wusste man recht wenig über die dortige Meyenzinger-Chilbi. Immerhin hatte mir der Zufall zwei Jahrzehnte früher im Staatsarchiv einen Hinweis in die Hände gespielt, den Eintrag eines Ratsbeschlusses vom Jahre 1650 in einem Büren-Ämterbuch, der ein Verbot der Meyenzinger-Chilbi in Lyss betraf.
„Biss anhero haben die zwo Gemeinden Lyss und Bütingen wegens zusammen habender Veldtfahrten jährlich am Sonntag vor oder nach Pfingsten gepflegt, den Meyen Ziger, wie Sie es nambsten, zusammen ze führen und von einander einzuziehen und hirmit ein Külbi ze halten. Weil aber dadurch ein merklich Unwesen und entheyligung des Sabbaths etc entstaand“
Wurde diese Kilbi verboten.
Wir erfahren, dass die Gemeinden Lyss und Büetigen den Lysswald als Weide benutzten, - so müssen wir den Ausdruck „Veldtfahren“ verstehen,- und das freundnachbarliche Nebeneinander jedes Jahr mit einem gemeinsamen Zigeressen feierten. Der fröhliche Anlass wurde als Chilbi bezeichnet, wobei ich diesen Ausdruck im vorliegenden Fall eher vom bei Chilbinen üblichen fröhlichen Markttreiben als von einer kirchlichen Feier, einer Kirchweih, herleiten möchte.
Zu jener Zeit sah der Wald anders aus als heute, - ohne Tannen- und man schätzte weniger den Holzertrag als die Funktion als Viehweide, die Möglichkeit der Schweinemast und die Laubnutzung. Wo Eichenwald vorherrschte, kam dazu noch der Anfall an Lohrinde (Gerberlohe), welche bei den zahlreichen Gerbern guten Absatz fand. Vom Frühling bis in den Herbst hinein musste sich das Vieh sein Futter selber suchen, sei es auf der Brachweide, der Herbstweide auf den Matten oder im Wald. Grasiger Unterwuchs, dürres Laub, Zweige, Äste und Rinde dienten den hungrigen Tieren als Nahrung. Da das Stroh meist zu Futterzwecken benützt wurde, musste im Wald überdies Laub gesammelt werden, welches dass als Einstreu im Stall zu dienen hatte. Nur so war es möglich, der bebauten Ackerfläche die nötige Menge guten Stallmistes zuzuführen.
Der Wald bestand also zur Hauptsache aus Laubbäumen, Eichen und Buchen,- ziemlich weiträumig zu denekn,- fast wie eine Hofstatt. Hier fielen im Herbst die Eicheln und Buchnüsse, gab es zudem auch sogenannte „beerende Bäume“, das sind wilde Apfel- und Birnbäume, deren Ertrag ebenfalls zum Schweinefutter gehörte. Alles was im Wald den Schweinen zukam, wurde als Acherum bezeichnet. Als Gegenleistung hatten die Besitzer der Tiere den Holzhaber zu entrichten, einen Naturalzins, welcher gewöhnlich für jedes Schwein 2 Imi betrug. – Das Imi oder Immi war ein Hohlmass für Getreide und fasste 3½ Liter.