Das Pintli von Witzwil
Der heutigen Generation dürfte es kaum noch bekannt sein, dass seinerzeit in Witzwil auch gewirtet wurde. Seit der Eröffnung des «Pintli» sind es nämlich gerade 100 Jahre her.
lm Jahre 1870 wurde die landwirtschaftliche Gesellschaft Witzwil gegründet. Dieses Unternehmen hatte sich zum Ziele gesetzt, das durch die Juragewässerkorrektion entsumpfte Moos in Kulturland überzuführen und darauf Bauernfamilien anzusiedeln. Die Seele des Unternehmens war der Notar und Rechtsagent Friedrich Emanuel Witz (1819 - 1887), daher der Name Witzwil. Wilhelm Stämpfli, ein Sohn des Bundesrates, und Jakob Klening von Vinelz, der spätere Rüttidirektor, standen dem Betrieb als erste Leiter vor.
Die Gesellschaft verfügte aber nicht über genügend Mittel; sie war mit ihren Plänen den Zeitläuten vorausgeeilt und geriet in Konkurs. Als ihren Hauptstützpunkt erbaute die Witzwil-Gesellschaft 1870 vorerst den Lindenhof (abgebrannt 1908), und 1872 wurde als Mittelpunkt des «Gemeinschaftslebens», wie man heute sagen würde, das sog. Pintli errichtet.
Es stand, von lns bzw. Gampelen herkommend, auf der rechten Strassenseite, etwa 50 m herwärts des heutigen Schulhauses. Eine auf ursprünglich drei Seiten sich hinziehende Terrasse gab dem Wirtshaus ein besonderes Aussehen. Zu einer blühenden Gaststätte scheint es sich freilich nie entwickelt zu haben; die Wirtsleute wechselten in rascher Folge!
Bereits 20 Jahre nach ihrer Gründung stand die Gesellschaft vor dem Geldstag. 1891 konnte der Staat Bern das Gut im damaligen Halte von 2217 Jucharten für die Summe von 742‘760 Franken aus der Konkursmasse erwerben. Die nunmehrige «Domäne Witzwil» wurde vorerst von der schon bestehenden Strafanstalt St, Johannsen als Mutteranstalt betrieben. lhr Leiter, Verwalter Niklaus Burri, hob dann die Wirtschaft auf und schenkte bloss noch zur Zeit der Weideviehannahme, wenn jeweils viel Volk nach Witzwil kam, Wein aus, den er aus dem Wistenlach bezog. Wegen schlechter Fundamentierung wurde das Pintli rasch baufällig.
Um die Jahrhundertwende erfuhr es aber eine gründliche Renovation und diente alsdann verschiedenen Aufsehersleuten, zuletzt den Familien Graf und Sutter, als Unterkunft. So leistete das Pintli noch jahrzehntelang einen guten Dienst, bis es in den zwanziger Jahren abgerissen wurde.
Dr. h. c. Otto Kellerhals, Bern