Das Pieterler Chor
Als zweites wichtiges Glied im heutigen Baubestand kam bald nach 1300 das frühgotische Chor zum romanischen Schiff hinzu, und zwar anstelle der Apsis, die damals bis auf den beidseitigen Ansatz niedergelegt wurde. Der Chorbogen wurde 1957 erneuert, entspricht aber in Form und Größe genau dem Original, und es sind zum Teil auch die alten Profilsteine wieder verwendet worden.
Das Chor mit seinen Spitzbogenfenstern - zwei gegen Süden, eines gegen Osten – bildet ein Längsrechteck. Es ist jedoch nicht ungegliedert wie das Schiff, sondern in zwei Joche, zwei Querrechtecke, geteilt. Die beiden Joche sind durch einen Gurtbogen getrennt und ein jedes mit einem Kreuzgewölbe auf Rippen eingedeckt. Die konstruktiven Elemente des Gewölbes werden von schlanken Rundsäulchen in den Ecken und von eigenartig geformten leichten Wandpilastern in der Mitte von Süd- und Nordwand getragen. Die Säulenkapitäle zeigen originelle Blattgebilde.
Da begegnet man nun im Pieterler Chor wiederum etwas Einmaligem: Die genannten Tragglieder sind nicht vom Boden heraufgeführt. Es zieht sich vielmehr durch das ganze Längsrechteck eine ungewöhnlich hohe Sockelzone, die durch ein schön profiliertes Kranzgesims begrenzt ist » im schönen Pieterler Tuff ausgeführt wie die Gurtbogen und Gewölberippen. Auf dieses Kranzgesims nun sind die Ecksäulchen und Wandpilaster aufgesetzt und werden dadurch ungewöhnlich kurz. Das Gewölbesystem verliert damit das gotisch Aufstrebende; das ganze Raumgebilde erhält eher eine Betonung des Horizontalen und wird fest an den Boden gebunden.
Der Gliederung des Chor-Innern entspricht diejenige des -Äußern. Auch hier gibt es die hohe Sockelzone mit dem Kranzgesims. Wohl sind die Strebepfeiler, die in den Ecken den Gewölbeschub aufnehmen, vom Boden her aufgeführt, aber in der Wandmitte findet man keine Strebepfeiler, vielmehr setzen über dem Kranzgesims flache Wandpfeiler an, die den Charakter von Lisenen, von romanischen Wandgliederungen, haben.
Die beiden Gewölbeschlußsteine sind wuchtige Zylinder. Der östliche zeigt in seiner Kreisfläche in flachem Relief eine fünfblättrige Rose, der westliche dagegen ein rätselhaftes Motiv: drei zu einem gleichseitigen Dreieck geformte menschliche Schenkel. Dieses Motiv ist in der mittelalterlichen Kunst nicht geläufig, findet sich aber auf sizilianischen und kleinasiatischen Münzen der Griechen. Ob das Mittelalter darin ein Dreifaltigkeitssymbol sah?