Wenn nur der böse Nachbar, das Thunwasser, nicht wäre!
Vom Naturfreund und vom kleinen Korberbuben haben wir uns einen Eindruck des Dorfes vermitteln lassen. Wesentlich anders hätte wohl das Urteil eines Dorfbewohners gelautet: Es wäre schön, hier zu leben, wenn nur der böse Nachbar, das Thunwasser, nicht wäre! Wenn nicht die häufigen Überschwemmungen immer wieder alles vernichten würden, was mit Mühe und Schweiss urbarisiert und gepflanzt worden war.
Manchem Büetiger mag die Frage aufgetaucht sein, ob das wohl immer so gewesen sei. Die Tatsache, dass die Römer eine Strasse durch das Gebiet gebaut hatten, lässt vermuten, der Wasserspiegel der seeländischen Gewässer sei damals tiefer gelegen, die Strasse musste ja ständig passierbar sein. Römische Strassenstücke z.B. bei Gampelen, zwischen Kallnach und Bühl, Altreu und Grenchen, die unter Torf zum Vorschein kamen, stützen diese Vermutung. Sicherheit haben erst die Forschungen von Dr. Hanni Schwab, Kantonsarchäologin, Freiburg, während der 2. Juragewässerkorrektion gebracht.
Sie stellte fest, dass die Überschwemmungen im Seeland erst im 15. und 16. Jahrhundert einsetzten. Seit dem 8. Vorchristlichen Jahrtausend war das Gebiet trocken, begehbar und auch besiedelt. Die Vergangenheit des Seelandes erscheint damit in einem ganz neuen Lichte. Hunger erzählt in seiner Geschichte der Stadt Aarberg, dass 1405 erstmals von einer schrecklichen Wassernot berichtet werde. Von da an reisst die bedrückende Reihe von Klagen und Berichten über Wassergrössen und Verwüstungen nicht mehr ab.
Es fehlte im Laufe der Jahrhunderte nicht an Plänen, wohlmeinenden Versprechungen und erfolglosen Versuchen zur Korrektion der trostlosen Verhältnisse. So wurde im Jahre 1707 von Samuel Bodmer ein Projekt der Korrektion der Zihl von Nidau bis Büren ausgearbeitet, wobei Schnitte bei Bürglen und Gottstatt, sowie eine Durchgrabung des Häftlis vorgesehen waren. Das Städtchen Büren erhob energischen Protest. Mit der Arbeit wurde trotzdem begonnen, aber bald beschloss man in Bern, auf die Weiterführung zu verzichten.
Neue Hochwasser in den Jahren 1718 und 1721 richteten riesige Verheerungen an. Orpund verlangte die Ableitung der Zihl, worauf eine fünfgliedrige Aaredirektion eingesetzt wurde, bei welcher Büetigen und Dotzigen ebenfalls Klagen einreichten. Es kam zu einigen Begehungen im Überschwemmungsgebiet, etwas Grien wurde ausgeräumt und dann schlief alles wieder ein. Aus dem Jahre 1743 stammt ein «Plan des - Aaren-Runss von Aarberg bis Büetigen - Einung, in Grund gelegt von Stephan Kocher, Büren a.A.»
Nach den Überschwemmungen von 1749 erhielt Art. Major Tillier den Auftrag, sich mit dem Problem zu befassen. Er glaubte, es fehle bei Nidau und liess dort Grabarbeiten ausführen. Kosten 5000 Kronen, Resultat gleich Null. Herr de Rivaz, welcher im Jahre 1760 auftrat, riet die Grabung eines neuen Kanals für die Zihl vom Pfeidwald bis Schwadernau, um die dortigen Kiesbänke und Grienköpfe zu umgehen. Er hoffte, den Bielersee um 3 Fuss 6 Zoll (rund 1m) senken zu können, verfügte aber offenbar über ganz schlechte Instrumente. Sein Plan zeitigte keinen Erfolg. 1763 stellte ein Geometer Brenner weitere Pläne auf, während sich 1765 ein Herr Küpfer mit dem grossen Problem beschäftigte.
Nach der Überschwemmung von 1771 machte ein Herr Mirani neue Vorschläge. Auch er wollte einen neuen Zihlkanal erstellen und überdies den Schuttkegel der Schüss im Bett der Zihl abgraben. Sein Plan blieb ebenfalls unbeachtet.
Im Jahre 1775 wurde Werkmeister Hebler beauftragt, die Gewässer zu untersuchen. Dieser konstatierte erstmals die starke Aufstauung der Zihl durch die Aare. Er stellte fest, dass beim Anschwellen der Aare deren trübe Wasser durch das Zihlbett bis in den Bielersee gelangten. Sein Plan wollte die Aare direkt von Dotzigen nach Büren leiten. Für die Zihl sollte ein neues Bett gegraben werden. Das Städtchen Büren und die Regierung waren dagegen, denn sie fürchteten um den einträglichen Wasserzoll. Ein Teil des Kanals hätte überdies «im Ausland» über Gebiete des Bistums Basel geführt.
In den 80er Jahren trat ein Hauptmann Lanz, der die ersten Pläne zur Korrektion der Linth entworfen hatte, mit einem ähnlichen Projekt wie Hebler auf. Er erwog erstmals die Ableitung der Aare in den Bielersee. Ausgeführt wurde nichts.
1789 wurde nach den Plänen von Geometer Schuhmacher eine grosse Schutzschwelle Busswil - Schwadernau erstellt. Das Gutachten, welches in den 90er Jahren vom französischen Ingenieur Cerrard verfertigt wurde, ist verschollen. Es blieb unbeachtet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde unter Leitung von Hauptmann Schlatter an verschiedenen Orten in der Zihl Kies ausgehoben, leider ebenfalls erfolglos.
1816 wurde der badische Oberdirektor der Strassen-, Brücken und Wasserbauten, OberstIeutenant Tulla, berufen. Er war von der Linthkorrektion her in der Schweiz bestens bekannt und der erste, welcher klar erkannte, dass das Geschiebe das Hauptproblem darstellte. Für dessen Abtransport musste vor allem gesorgt werden. Eine Ableitung der Aare zwischen Kerzers und Fräschelz in den Neuenburger- oder Bielersee schien aber zu kostspielig zu sein. Er sah die Lösung deshalb in einer Geradelegung der Aare bis Altreu, einem Durchbruch des Emmenkopfes und in der Erstellung eines neuen Kanales für die Zihl bis unterhalb Büren. Die Bereinigung der beiden Flüsse hätte sogar erst bei Altreu stattfinden können. Auch dieser Vorschlag kam nie zur Ausführung.
Oberstleutenant Hegner empfahl die Korrektion von Aare und Zihl und die Vereinigung beider Flüsse bei der Kantonsgrenze, aber der Grosse Rat beschloss, nur die Zihl zu korrigieren. Wie schon so oft, wurde wieder Kies ausgehoben, der Schuttkegel der Schüss entfernt und diese selbst gerade gelegt und in den See geleitet. Diese Massnahme beseitigte wenigstens eines der Übel: Biel und Madretsch hatten keine Überschwemmungen mehr zu befürchten.
Der Pole Lelewel hatte im Seeland einen guten Namen als Erbauer der Strasse Schönbühl - Lyss. Ihm wurde 1833 der Auftrag zu einer umfassenden Korrektion erteilt, welche nicht unbedingt an den Kantonsgrenzen Halt zu machen habe. Er gelangte zu ähnlichen Lösungen wie Tulla. Auch ihnen haftete der gleiche Nachteil aller früheren Projekte an: Der sichere Abtransport des Geschiebes war nicht gewährleistet.