Schule und Schulhäuser

Wie man ehemals lesen und schreiben lernte

Es würde zu weit führen, wollte man am Beispiel eines kleinen Dörfchens das Aufkommen der Schule darstellen. Sicher ist, dass es lange vor Beginn der ländlichen Schulen in jedem Dorf einzelne Personen gab, - wohl eher Männer als Frauen - welche irgendwie die Fertigkeit des Lesens und Schreibens erworben hatten, sei es beim Pfarrer, einem heimgekehrten Söldner oder einem Wanderlehrer, welche damals durchaus zu den üblichen Erscheinungen gehörten. Nicht aus Lust am Wandern und Vaganten zogen diese Lehrer durch die Lande, sondern auf der Stellensuche für den kommenden Winter. Die zur Sommerszeit almosenbettelnden Schulmeister wurden in der flauen Zeit sogar von der Obrigkeit mit milden Gaben unterstützt. So gab der Landvogt von Frienisberg im Jahre 1579 «armen verwisenen Predicanten, Schulmeistern, Studenten und Schülern um Gottswillen›› verschiedene Geldbeträge. Im folgenden Jahr finden wir vermerkt: «Einem armen schulmeister umb gottswillen 5 Schilling 4 Pfennige.»

Wir können uns vorstellen, dass der eine oder andere grössere Bauer das Bedürfnis empfand, die Fertigkeit des Lesens und Schreibens zu erwerben. Als Inhaber eines öffentlichen Amtes, Meier, Gerichtssäss oder Chorrichter wurde ihm sein Unvermögen noch bald einmal klar, wenn er Schriftstücke vor Augen bekam und die nicht selber entziffern konnte. Die Abgaben, welche er von den Erträgnissen seines Heimwesens zu entrichten hatte, war er sonst nicht imstande, selber nachzuprüfen, wenn er die Kunst der Buchstaben nicht beherrschte. «Und, was wohl vor allem zur Nachahmung reizte, einzelne Gemeindegenossen hatten sich schon auf irgendwelche Weise die Fertigkeit des Schreibens und Lesens angeeignet, waren mithin auf eine höhere Stufe des Könnens und Wissens gelangt. Soweit sollte es wenigstens der künftige Hofbesitzer auch bringen. Denn, würde er dereinst gar Säckelmeister der Kirchhöre, musste er doch imstande sein, die Einnahmen und Ausgabenposten in ein Rödelchen zu schreiben und vor versammelter Gemeinde vorzulesen,» finden wir bei Rubi.


Weder vorläufig geschah das Lesen und Schreiben lernen vollständig freiwillig. Wer nicht wollte, konnte es füglich bleiben lassen. Erst im Jahrhundert nach der Reformation begann die bernische Obrigkeit die Verpflichtung zu spüren, für das ewige Seelenheil ihrer Untertanen verantwortlich zu sein. 1601 wurde der Rat inne, dass «allerley schwäre Sünden, Laster, Fluchen, ouch etwan Hexereien, Zoubereien, Prassen, Tag und Nacht beym Wein sitzen, Spielen und Tantzen» überhand nahmen, was sicher «Gottes Zorn und Ungnad» zur Folge haben musste, «und dann derselb allerhand schwäre Strafen über uns ergahn lasst, als Teure, Hunger, Krieg und Pestilenz.» Deshalb wurde allen Eltern geboten, «ihre Kinder empsiger und mehr zu Schulen und Kinderlehren zeschicken», wobei aber der Rat nur die religiössittliche Beeinflussung der Jugend im Auge hatte und durchaus nicht den Unterricht im Lesen und Schreiben.

Welche Förderung die Anliegen der Geistlichkeit erfuhren, wenn die angehende Jugend und der erwachsene Gemeindebürger instand gestellt wurden, Katechismus und Bibel selber zu lesen, dessen wurde man sich erst im Lauf der Zeit gewahr. Aus einem Schreiben an die Amtleute des Waadtlandes vom Mai 1609 erfahren wir, es bedunke die Obrigkeit «nit untunlich, sondern ein gut Werk», wenn man auch in diesem Land Schulmeister anstelle, welche die Jugend «in Läsen, Schryben und christlichem Gepätt und Lehr» unterweise. Lesen und Schreiben gehörten erst von da an neben den Anforderungen der Religion zu den Verpflichtungen der Schule.

Vom April 1617 hinweg gehörten Schulfragen zu den regelmässig wiederkehrenden Verhandlungsgegenständen der Kapitelsversammlungen. So lesen wir: «Im Büren-Capitel ist anzogen,dass an etlichen Orten den Schulmeysteren gar schlächte fürsächung geschäche, also dass sy ihrnarung nit wohl han mögind, von wegen dass die Gemeinden arm sind. Bittend derhalben, ein gnädige Oberkeit umb Handreichung» Mit «Gemeinden» werden hier die Kirchgemeinden bezeichnet, in welchen nach dieser Meldung überall im Bürenamt Schule gehalten wurde.Wir gehen nicht fehl, wenn wir mit einer einzigen Schule für die vier Orte Busswil, Büetigen,Diessbach und Dotzigen rechnen. Seit wann diese Schule bestand, lässt sich ungefähr abschätzen. Ihre Gründung muss auf den Anfang des 17. Jahrhunderts fallen, wenn die nachfolgende Eintragung im Chorgerichtsmanual nicht die erste Lehrerwahl überhaupt darstellt: «Uf Sontag, den 28. May anno 1620 istt uff anhaltung Herrn Schultheissen Heimbergs, welcher solches uss befelch unserer gn. Herren und Oberen zu Bern than, ein schulmeister zu Diessbach alhie von der kilchhöri in bestendige Besoldung geschaffet und geordert worden, nemlich alle fronfasten vier an gelt und ein viertel mühlikorn, darzu ein huss und wonung, die man ihn dach und gernach sol erhalten und daruber holtz nach nottdurft. Und sol aber ein schulmeister verbunden syn, nit nur imm winter, sonder auch imm summer schul zehalten, so oft die kinder von ihren ältern zu unterwisen geschickt werden, welche über den oben gemelten ordelich lohn nüt wyters zu geben schuldig syn sollen.»