Als das Konsum gegründet wurde

Die Gründung der Konsumgenossenschaft Diessbach b.B. und Umgebung fällt in die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. In unserem Dörflein fanden sich damals noch die letzten Strohhütten. Das elektrische Licht hatte soeben Einzug gehalten, beileibe nicht in jedem Haus. Manche Wohnung wurde auch weiterhin vom milden Schein der Petrollampe erhellt. Ärmliche, immer wieder rauchende Lämpchen versuchten in vielen Küchen vergeblich, die hinterste Ecke zu erleuchten. In der Stube sass winterabends die ganze Familie um den grossen Tisch, auf dem die Petrollampe blackte. Man musste ganz nahe zusammenrücken, wenn jedes arbeiten, lesen, stricken, nähen, rüsten wollte. Radio und Fernsehen waren noch vollständig unbekannt. Der Bach floss offen durch das Dorf, einzig bei der Käserei musste er sich unter Strasse, Käshütte und Spritzenhaus ducken. Ungefährdet durften die Gänse über die Strasse schnattern. Sechsspännige Mühlefuhrwerke knarrten mit ihrer Last durch die Dörfer. Ihre Pferde trugen flottgeputzte Geschirre mit Dachspelzen. Weithin glöckelte ihr Läuten übers Land.

Die Post wurde mit einer Kutsche zur alten Post neben der Käserei gebracht. Das «Pöstli›› fuhr zweimal des Tages von Lüterswil nach Busswil und zurück. lm Winter wurde ein Schlitten verwendet, an den die Kinder im Versteckten ihr Schlittlein anzubinden versuchten, bis ein hässiger Zwick mit der Peitsche sie vertrieb. Jeden morgen brachte das Pöstli unsere Lehrerin, Frau Moser, welche in Diessbach Wohnsitz hatte.

Unvergesslich sind die Käsefuhren, welche dem jeweiligen Käufer die übernommenen Käselaibe zuführten. Eh weder nit ging es dabei ähnlich zu wie in Gotthelfs «Käserei in der Vorfreude» dargestellt.

Die ersten Autos ratterten über unsere noch nicht asphaltierte Strasse, zum Glück nicht jeden Tag eines, wirbelten ungeheure Staubwolken auf und hinterliessen tiefe Geleise im staubigen Strassenbett. Die Kinder gingen den ganzen Sommer über barfuss. Keines von ihnen hat je vergessen, wie ihm der warme Staub zwischen den Zehen durch rieselte. Velos gab es nur sehr wenige, mit Starrlauf versehene Vehikel, welche von hinten über einen speziellen Aufsteiger erklettert werden mussten. Wenn unser Gewährsmann erzählt, an der Telephonzentrale Diessbach seien pro Dorf kaum mehr als zwei Apparate angeschlossen gewesen, dann staunen wir verwöhnten Telephonbenützer und können nicht begreifen, dass der in Diessbach ansässige Arzt überhaupt noch kein Telefon besass.

Wenden wir uns nach diesem Rückblick noch kurz jener Bevölkerungsschicht zu, aus welcher die Gründer des Konsums stammen. So um die Jahrhundertwende herum war bei der Arbeiterschaft noch gar manches anders als heute. Ein gelernter Schreiner erhielt ganze 44 Rp. Stundenlohn und die Arbeitszeit betrug noch vielerorts 11 Stunden im Tag. Bei Sternenschein ging mancher Vater von zuhause fort zu Fuss auf seinen Arbeitsplatz in Biel und beim nächsten Sternenschein kehrte er müde in sein Heim zurück. Auch am Samstagnachmittag wurde gearbeitet, allerdings bloss bis halb sieben Uhr (18.30 Uhr), aber eben, es gab ausser dem Sonntag überhaupt keine Freizeit. Ferien kannte man ebenfalls noch nicht. In Biel erhielten die Zimmerleute im Jahr 1907 schon 53 Rp. Stundenlohn bei zehnstündiger Arbeitszeit, und ein Schreiner kam 1911 auf 60 Rp. Der Zahltag wurde damals am Samstag nach Arbeitsschluss verabfolgt. Zu Hause mussten Frau und Kinder warten, bis der Vater mit dem Löhnlein anlangte, worauf endlich die notwendigen Einkäufe gemacht werden konnten. Die Krämer passten sich diesen Gegebenheiten an und schlossen ihre Läden nicht vor 21.00 Uhr.Die wenig erfreuliche Lage der Arbeiter und ihre geringe Kaufkraft liess die Gründung einer Konsumgenossenschaft als wünschenswert erscheinen. Es waren Mitglieder des Arbeitervereins der Kirchgemeinde Diessbach, welche die Initiative ergriffen. Donnerstag, den 15.April 1909 konnte in dem von Ernst Schneider-Furrer in Diessbach zur Verfügung gestellten Lokal der erste Laden eröffnet werden. Als Verkäuferin stellte sich Frau Schneider zur Verfügung. Im März 1920 wurde auch in Dotzigen ein Laden eröffnet. Fünf Jahre später beschloss eine ausserordentliche Generalversammlung die Errichtung einer Filiale in Büetigen, und zwar im Hause des Fritz Friedrich, Werkstättearbeiter SBB. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Geschäftshaus des Gottfried Wittwer, Negoctiant, zum Preise von Fr. 51‘000.- erworben und damit verfügten die Konsümler in Büetigen über einen eigenen Laden, welcher im Laufe der Zeit durch einen Anbau erweitert wurde.