Das Gefecht bei Neuenegg, am 5. März 1798

«Noch einmal glänzt der goldne Stern
Im Banner Sterne-bergs für Bern»

Wieder einmal gab es ein Zeitgeschehen, das ganz Europa Unruhe brachte. In Frankreich war die Revolution ausgebrochen; Königshaus, Adel und die Vorrechte der Kirche wurden weggefegt. Überall ertönte der Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die Regierungen wurden wiederholt gestürzt, schließlich endete die Sache in der Diktatur eines Einzelnen.

Die französischen Revolutionäre in ihrem Expansionsdrang machten an den Landesgrenzen nicht Halt. In der Berner Regierung bestanden gegensätzliche Meinungen über die einzuschlagende Haltung gegenüber den französischen Eindringlingen. Das lähmte die Entschlußkraft. Der französische Angriff auf Bern erfolgte von zwei Seiten. General Schauenburg marschierte mit seiner Armee über Solothurn-Fraubrunnen gegen Bern, während dem General Brune von Westen her über Freiburg sich der Linie Saane-Sense näherte. Die Kämpfe auf der Linie Neuenegg-Gümmenen spielten sich zum Teil in unserm Berichtsgebiet ab. Aus diesem Grunde geben wir in unserer geschichtlichen Rundschau eine Schilderung des Verlaufs des Gefechts bei Neuenegg. Am 4. März 1798 abends standen die Franzosen (Brigade Pijon) bereits auf der linken Seite der Sense direkt vor Neuenegg.

Ihnen gegenüber standen 1800 Berner unter Oberst von Graffenried. In Laupen waren 2000 Mann stationiert und eine dritte Brigade von 3000 Mann stand bei Gümmenen. Der französische Nachtangriff erfolgte am 5. März um 1.30 Uhr. Nach stundenlangem Ringen waren die Berner bis zum Wangenhubel zurückgewichen. Bei Tageshelle sammelten sich die Franzosen nördlich von Neuenegg. Von Graffenried war mit den Resten seiner Brigade um 5.30 Uhr in der Nähe von Bern. Er verlangte sofort Hilfe. Die Sturmglocken riefen die wenigen erreichbaren Truppen herbei. Um 8.00 Uhr waren bei Bümpliz 2300 Mann beisammen. Rasch ging von Graffenried zum Angriff über.

Die Franzosen standen um 9.00 Uhr bereits 1/4 Stunde vor Niederwangen. Nun folgte der Kampf von Mann zu Mann, von Baum zu Baum zurück durch den Forst bis zum Landstuhl. Wie die Berner um Mittag aus dem Wald traten, kam der Moment der Entscheidung. In der Mitte an der Straße kämpfte General-Adjudant Weber mit 3 Thuner Bataillonen und 3 Kanonen, zur Seite die Hälfte eines Emmentaler Bataillons, 2 Kompanien Hausleute (Stadt) und 1 Kompanie aargauische Jäger, dazu Freiwillige.

An den Flügeln rechts und links sammelten sich 2 Kompanien Scharfschützen. Ihnen gegenüber standen 6000 Franzosen, in starken Linien bereit. Bereits wurde das Feuer eröffnet. Nun hieß es handeln, ob es paßte oder nicht. Die Offiziere traten vor, ermunternd, befehlend gaben sie allen das Beispiel der Todesverachtung. Sie stürzten vor, die Oberländer, die Emmentaler, die Hausleute, Jäger, Freiwillige jeden Standes und Alters, die Gewehre gefällt; die Artillerie wurde genommen, die französischen Linien durchbrochen. Noch bestand Gefahr, die Flügel der Franzosen schwenkten

nämlich zur Umfassung. Da, endlich waren auch die Flügel der Berner zur Stelle, zuerst Scharfschützen von der rechten Seite bei den Neuriedern, dann von der linken bei Natershaus. Vergebens zerriß der feindliche Kugelregen die vordersten Glieder. Wildjauchzend stürzten die Berner aus dem Wald auf die Batterien, streckten die Kanoniere nieder und durchbrachen die Infanteriestellung. Pijon versuchte beim Schulhaus seine Truppen zum Stehen zu bringen; da kamen die Scharfschützen über Neuriedern-Kapf noch früh genug und fielen dem französischen Flügel in den Rücken. Die Niederlage der Franzosen war erzwungen, sie wurden über die Sense zurückgetrieben, die Berner folgten ihnen den Abhang hinauf. Da... es war um 15.00 Uhr, galoppierte ein Dragoner daher mit dem Befehl, das Feuer einzustellen . . . Schauenburg sei vom Grauholz her in Bern eingerückt!

Der von Graffenried zu Pijon geschickte Parlamentär, Ratschreiber Thormann, erhielt von hinten einen Schuß. Einzelnen Kompanien mußte der Befehl zum Feuereinstellen dreimal gegeben werden. «Die Schlacht gewonnen, das Vaterland verloren» hieß es. Man munkelte von Verrat. Die am Vortag auf Befehl von Divisions-Kommandant Fried von Wattenwil vollzogene Räumung der Posten in Gümmenen ließ, wenn nicht gerade Verrat, so doch keine zielbewußte Führung vermuten. Immer wieder mußten die Offiziere die Leute besänftigen. Schließlich zogen die Oberländer über Berg und Tal nach Thun, die andern zerstreuten sich. Nach den heldenhaften Taten ein bitterer Schluß.

Wenn wir in Gedanken an das alte Bern, das am 5. März 1798 durch die Schuld der regierenden Kreise untergegangen war, Rückschau halten, so denken wir zurück an den Aufstand der Oltiger von 1410. Deren Nachkommen fochten 1798 in Truppeneinheiten oder als Freiwillige und viele besiegelten ihre Treue zu Bern nicht mehr mit dem Klostersiegel von Frienisberg, sondern mit dem eigenen Blute.