Ins
Verborgene Reste der Hasenburg. im Wald gegen Vinelz. die «Fürstengräber» und andere Fundstellen aus der Keltenzeit sind Zeugen dafür, dass die Besiedlung weit zurückgeht. Hier war Leben, lange bevor die Römer sich des Landes bemächtigten, befinden wir uns doch in einer Gegend, wo Pfahlbauerkultur und jene Stätte der jüngern Eisenzeit. welche der ganzen Periode den Namen gab (La Tène), ganz nahe waren, Die Römer aber waren es, die von Aventicum aus ein Strassennetz anlegten. Für die Ortsgeschichte wichtig ist der «Mauriweg». der das Moos schnurgerade durchquert und genau auf das Dorf hinführt (heute durch die Aufhebung des Bahnüberganges abgeschnitten). Es kann angenommen werden. dass die Siedlung an der Kreuzungsstelle mit einer Querverbindung ihren Anfang nahm. wie das für viele Seeländer Besiedlungen nachgewiesen ist. Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes geht auf 1009 zurück. und zwar als Anestre, einer altfranzösischen Schreibweise, wurde doch in diesem Grenzgebiet der Sprachen im Frühmittelalter französisch gesprochen. Ob Anestre auf einen römischen Vornamen zurückgeht, oder ob die Ableitung von Anes bzw. annas = «am Sumpfgelände» richtig ist, bleibt wohl immer ein Rätsel. Zweifel in Bezug auf ein Sumpfgelände sind berechtigt, war doch die Ebene damals trocken.
Für Ins begann die urkundlich belegte Geschichte nicht mit dem Rütlischwur. Vorher verschiedenen Herren untertan, wurde die Herrschaft Erlach 1474 von den Bernern erobert.
Des Stadtstaates Geschick wurde auch zum Schicksal des Dorfes. Bei der Schlacht von Murten wehrten Inser, Männer und Frauen, Feinde ab. Erwähnen wir weiter nur in ganz grossen Zügen: die Reformationszeit, den Bauernkrieg, den Untergang des alten Bern und die darauffolgende Franzosenzeit. Kurz zuvor hatte Goethe einen «verworrenen» Tag, denn auf seiner Schweizerreise von 1779 wollte er sich mit Gefährten von Ins nach Sauge begeben und verirrte sich im Ried. Damit kommen wir schon in die Epoche. wo klassische Bildung und Naturschwärmerei den gesellschaftlichen Glanz ausmachten. Wo der Friedhof von Ins der berühmten Aussicht wegen aufgesucht wurde. Sigmund Ludwig von Lerber„ ein hoch angesehener Gelehrter und Schriftsteller. schuf das Gedicht «La Vue d`Anet». Das Wagnerhaus verewigte Rudolf von Tavel in seinem Buch «D`Haselmuus».
Als Bauern- und auch als Winzerdorf (eindrücklich dargestellt auf der «Aetterkarte» wovon eine Reproduktion im Gemeindehaus hängt) pflegte lns vor der Zeit der Eisenbahnen viel engere Beziehungen zu Neuenburg als heute (Haus de Pury. Pourtalèsland und andere Erinnerungen zeugen davon). Wenn der lnser Wein auch gerühmt wurde. so darf nichts darüber hinwegtäuschen, dass die ganze Gegend arm war. Im Seeland entstanden nirgends so mächtige Bauernhöfe wie im Mittelland. Der Aufschwung kam erst als Frucht der ersten Juragewässerkorrektion. Die Bevölkerungs Vermehrung seither ist eindrücklich: im Jahre 1880 zählte Ins 1453 Einwohner, 1980 waren es 2608.
Dass Ins seit Jahrhunderten eine gewisse Bedeutung hat. beweist das Vorhandensein eines obrigkeitlichen Landgerichtes und eines Rathauses. das 1525 erbaut wurde (und im Oberdorf stand etwa im Raume der früheren Metzgerei Hostettler). Darin hatte neben der Schulbehörde (und gewiss auch der Gemeindebehörde) das Chorgericht getagt. Einige Müsterli sind überliefert:
Mit nicht wenig Rückgrat erlangte das Chorgericht 1844 die Abbitte eines gewesenen Sittenrichters. der zu Ins blagiert hatte, sein Ross sei mehr wert weder ds ganz jezig Sittegricht. Die lnser Wirte zum Beeren und zum Chrütz häi wegen Skandals voor müesse; sie wurden gebüsst und mit Gefangenschaft bedroht. Ein Inser, der seinen Vater geprügelt. musste den «Erdfall» (Kniefall und Erde küssen) in der Weise tun. dass er während des Gottesdienstes neben dem Taufstein kniete.
Das Rathaus fiel 1848 einem Brand zum Opfer und wurde nicht wieder aufgebaut. Weil die Feuersgefahr eine ständige Bedrohung der Dorfgemeinschaft darstellte. wurden sicherere Ofenhäuser gebaut.
Bereits 1695 wurde der Gemeinde Eiss von der Obrigkeit der Bau von 3 Bachöfen concediert (bis vor wenigen Jahren waren nicht weniger als 9 Ofenhüsli im Betrieb). Diese Massnahme konnte nicht verhindern, dass beim grossen Dorfbrand von 1849 ganze Reihen der dicht aneinander angeschlossenen Holzhäuser vernichtet wurden. Manch heimeliges typisches Seeländer Bauernhaus mit tief heruntergezogenem Strohdach ging für immer verloren. Und mit dem Rathaus verlor die Gemeinde ein Archiv mit Dokumenten aus Jahrhunderten.
Gleich wie die Inser konnten die Bewohner der anstossenden Gemeinden das Moos, das gewöhnlich im Frühling und im Herbst überschwemmt war nutzen oder «nutzge». oder vom «uusnutzge» bis zum «uushungge». Diese Nutzung beschränkte sich auf «weiden. mäyen und häuwen».
Der schönste Aussichtspunkt der Gemeinde, für die Bevölkerung in weitsichtiger Weise freigehalten und für Zusammenkünfte eingerichtet heisst St.Jodel. In vorreformatorischer Zeit soll dort eine dem heiligen Jodocus (ursprünglich St. Theodul, auch als St. Joder überliefert) geweihte Kapelle gestanden haben. Gleich wie diese, haben viele Flur- und Wegnamen ihre Geschichte. «Gostel» lässt sich über Costel_ Costal, Coûta auf das spätrömische «Costa ›> (Küste) zurückführen. Mit «Küste» hat auch der Ryfweg zu tun: Die ältere Bezeichnung «Riiffweg» stammt vom französischen Wort «rive» (Ufer) ab. und das ist verständlich, wenn man bedenkt., dass Überschwemmungen vom Murtensee her den Bereich der heutigen Anstaltsfiliale Ins erreichten. «Lüschach» hat mit Lische zu tun (Lischer = Lischensammler) «Reuschelz» kommt vom Rusel, einem alten Wort für Abhang, Raine welche vom Dorf in die Ebene hinunterführen. Hiessen «Gääij», aber auch das Wort Rain selbst ist in Bandrain, Gibelirain, Fallerain, Sperrain u.a. enthalten. Wie gerne wüsste man aber auch, was «Böbleren» bedeutet und woher der Marxmattenweg stammt. Unter den alten Flurnamen finden wir Graafebrünne , einen Acker beim Schüfeli. Galgenbrünne und Faufferts- oder Fauggersbrünne.
Am Ostrand des Eichenwäldchens bei der Muurstude gab es «Holzmüetterlis Brünneli». das uns in das Reich der Sagen führt. Das Brünneli gehörte zwei schweigsamen, menschenscheuen Fraueli:
Nahe dem Haus Jampen am Ende der Möntschemiergasse war eine Gruppe «Eisser» mit Hanfraite beschäftigt (Abziehen des Bastes von Hand). Die beiden Holzmüetterli näherten sich halb neugierig, halb furchtsam. Plötzlich wurde eines der beiden erhascht und zur Kurzweil im Dorf geführt. Das andere konnte ihm noch nachrufen: «Sie möge die Frage, was si wäi, seeg ämmel äi Sach nie: für waas der wiss Haaber siig».
In nachbarliche Gemeinden hinüber greifen das Galsfeld zu Gampelen. das Ins- oder Eissfäll zu Müntschemier und das Feld gegen Erlach, das Erlachfäll, das im Besitz von lnsern stehende Müntschemierfäll. Dieses muss sich aber auch das Luugifäll betiteln lassen. weil es nicht so schwere Getreide hervorbringt wie das inserische Oberfäll. Vom oberen wird «ds undere» und «ds mittliste››_ ds Hinder- und Hinderussefäll unterschieden. Nach der nächsten Umgebung benannte man das «Galgenfäll» und das «Sallestäifäll».
Erhalten sind im Dorf die Gassen. Wieviel schöner ist doch die Bezeichnung Moosgasse statt Murtenstrasse! Auch die Namen Müntschemiergasse, Brüttelengasse, Gampelengasse und andere sollen als liebenswerte Überlieferungen bestehen bleiben. Die alten Durchgangsstrassen, von Dorfmitte zu Dorfmitte führend. wurden für den Pferdefuhrwerkverkehr angelegt.
Im 18. Jahrhundert wurde die Strasse von Ins nach Erlach zum See verbessert. «damit die gebrochenen Mühlisteinen nicht mehr durch die Gamplen-Strass geführt und abgelegt werden können››. Die Mühlsteine wurden in den alten Mühlsteinbrüchen der «Muelere» bei Ins und nahe dem Brüttelenbadwegli in der «undere» und «obere» Eissergrube gebrochen.
Schon vor dem Auftauchen der Automobile hat die zunehmende Bedeutung des Durchgangsverkehrs Änderungen verursacht. Das Dorfzentrum hat sich verschoben. Früher befand es sich im Oberdorf, mit Kirche und Rathaus. Wie sich aber Wirtschaften und Gewerbe an der Verbindungsstrasse ansiedelten, ein grosszügiger Dorfplatz geschaffen wurde und ein einmalig schönes Gemeindehaus mit der Post seinen Platz dort fand, war das neue Zentrum da und es wurde in jüngster Zeit sogar zu einem Einkaufszentrum. Dass die Dorfstrassen nicht für den motorisierten Verkehr ausreichen. trotz aller Erweiterungen und Verbesserungen nicht, müssen die heutigen Dorfbewohner in einem Ausmass erleben das manchmal unerträglich zu werden droht.
Ein besonderer Fall ist die Bahnhofstrasse, die nicht gewachsen ist. sondern konstruiert wurde, um die Verbindung zwischen Dorf und Bahnhof herzustellen. Sicher wurde Sie zur Zeit der Eröffnung als Zeichen des Fortschrittes gelobt. und sicher wurde ein schönes Stück Rebberg für sie geopfert. Heute erscheint sie uns eher wie ein Fremdkörper. Es war 1901 als der erste Zug der Linie Bern-Neuenburg in Ins anhielt. Mit Sang und Klang wurde er von den lnser Vereinen begrüsst. Der Gemeinderat liess ein grosses Fass Wein auf den Bahnhofplatz stellen. damit sich jedermann zu Ehren dieses Ereignisses nach Belieben erlaben konnte.
Ins hat seinen Charakter als behäbiges Bauerndorf mit grossen Gärten und vielen Blumen gewahrt. Obwohl heute der Anteil der bäuerlichen Bevölkerung kaum mehr 20% ausmacht. ln das Bild der schönen Bauernhäuser passen die paar städtischen Gebäude mit historischem Charakter (Wie das alte Spital und Schlössli-Bauten). Die Ortsplanung, von der Gemeindeversammlung im Jahre 1981 angenommen. schuf die Grundlage zur Erhaltung des Dorfbildes. Konnte seinerzeit der Abbruch des «Säuegge» nicht vermieden werden. wurde anderseits durch Gemeindebeschluss die grosse Zehntscheune gerettet um sie neuen Aufgaben als Kulturzentrum Zuzuführen.
Wenn Ins nie ernsthaft die Ansiedlung von Industriebetrieben suchte. so ist dafür das Gewerbe im Dorf vielseitig und leistungsfähig. Trotzdem kann nicht die ganze erwerbstätige Bewohnerschaft im Dorfe selbst arbeiten. Rund 250 Pendler werden auswärts beschäftigt. Dagegen werden wieder auf grosser Fläche Reben gezogen, Auf 100 Aren wachsen Weiss- und Rotweine heran. So wird lns wieder auf Etiketten stehen. Der Dorfname erhält im Amt Erlach auch neue Bedeutung durch die Alterssiedlung von 1976 und das Altersheim von 1982.
Im ganzen Schweizervolk aber ist der Name Ins mit dem seines grossen Malers verbunden Albert Anker. Was er seinem Dorf und seiner Heimat gegeben hat, ist das Lebenswerk eines Begnadeten. Ihm bleibt die Bevölkerung in tiefer Dankbarkeit treu verbunden und für sie steht er über allen Strömungen der Kunst. Über dem Dorf steht die reformierte Kirche, ein harmonisches Bauwerk mit romanischem Schiff und einem Frontturm mit Käsbissendach. Im Laufe der Jahrhunderte hat sie viermal ihre Gestalt teilweise gewechselt, aber nie ihre Bescheidenheit verloren. Sie steht zwischen mächtigen Bäumen verborgen. und es gibt keinen Turm, der in den Himmel reichen will. Was hat sie als Zeuge menschlichen Schicksals und Schicksal eines Dorfes alles erlebt! Die römisch-katholische Kirche trägt den Namen «Maria Geburt››. Sie wurde 1974 eingeweiht. um ein grosses Einzugsgebiet zu betreuen.
Ins besitzt neben der Primarschule auch eine Sekundarschule (Sekundarschulverband mit den Gemeinden Ins,Müntschemier, Brüttelen, Treiten, Finsterhennen, Siselen und Gampelen) und die Erziehungs- und Bildungsstätten des «Vereins Schlössli Ins». Für die Ausbildung des bäuerlichen Nachwuchses diente seit 1948 die Rütti-Filiale. welche im früheren Krankenhaus (dem de Pury-Haus) untergebracht war, bis im Jahre 1972 die landwirtschaftliche Schule Seeland ausserhalb des Dorfes eröffnet werden konnte.
Der Gemeinderat setzt sich aus 11 Mitgliedern zusammen. Der Gemeinderatspräsident ist gleichzeitigGemeindepräsident, Burgergemeinde gibt es keine mehr. In einem alten Zeitungsartikel steht darüber:«Die Burgergemeinde ging im Jahre 1854 als Folge des grossen Bankkraches bankrott. Indem die reiche Einwohnergemeinde als Retter auftrat, kam es zur Fusion und zur Liquidation der Burgergemeindeverwaltung.» Die alten lnser Geschlechter sind: Reubi (schon 1347 erwähnt), Jenni, Küffer, Heubi, Probst, Gaschen,Kissling, Düscher, Graser, Blank, Durni, Feissli, Füri, Gatschet. Der Name Anker erscheint erst ab 1597.