Aus der Vergangenheit
Zweier Spezialitäten wegen wurde der Name des Dorfes Brüttelen bekannt: sein Heilbad zog Menschen aus der ganzen Schweiz und aus dem Ausland an, und seine Muschelsteinbrüche lieferten Bausteine und Mühlsteine, die weitherum geschätzt waren.
Der Ortsname (aus dem 12. Jahrhundert sind die Formen Brittine. Britelgio und Brittillo überliefert)
kann von Britt. einer alten Ausdrucksweise für Brett stammen und bedeutet in diesem Zusammenhang wahrscheinlich Kruzifix. lm Mittelalter stand in Brüttelen nämlich eine Kapelle mit einem «Altar am heiligen Brunnen » errichtet zum Gedenken an einen Bischof von Lausanne, der im Jahre 851 in der Nähe von Treiten ermordet wurde. Die Kapelle wurde in späterer Zeit kaum mehr erwähnt. und die Einwohner von Brüttelen zogen schon vor der Reformation von 1528 nach Ins zum sonntäglichen Gottesdienst. Gemäss dem historisch-biographischen Lexikon der Schweiz ist Brüttelen mit der Gemeinde Ins von einem Gefecht gegen die Gugler geprägt. Die Gugler waren wilde Krieger verschiedener Nationalität, die in einer Kampfpause des 100jährigen Krieges von Frankreich her unter anderem ins Seeland einbrachen. Plündernd und mordend zogen die Gugler durch die Dörfer, bis sie vom geplagten Landvolk mit Hilfe der Berner und von Innerschweizern vertrieben werden konnten.
Das Gefecht bei Brüttelen fand am 25. Dezember 1375 statt. Die Seeländer und ihre Gehilfen überfielen den Feind im Winterquartier und erschlugen 300 Mann. Noch heute behaupten ältere Brütteler bei Knochenfunden dass es sich dabei um Überreste der getöteten Gugler handelt.
Brüttelen wurde auch von Brandkatastrophen nicht verschont. ln den Jahren 1610, 1710. 1813, 1854 und 1856 wurde der Ort von solchen heimgesucht.
Als erste Namen tauchten im Jahr 1142 ein gewisser Burkhart von Brüttelen auf und 1251 schwor ein Michael von Brüttelen dem Grafen von Savoyen Gefolgschaft. Dass man schon früher nicht allzu finanzstark war. bestätigt der Bericht, dass 1760 die Gemeinde 26 ihr gehörende silberne Becher verkaufen wollte. was ihr aber von der bernischen Regierung verboten wurde.
Brütteler-Stein schon früh wurden die Steinbrüche von Brüttelen ausgebeutet. Die ersten diesbezüglichen Urkunden stammen aus der Zeit um 1600. Gewonnen wurde ein recht wetterbeständiger Muschelsandstein. Viele ältere Bauten im Seeland sind aus Brütteler-Stein, wie er im Volksmund heisst, erbaut worden. Die rauhe Oberfläche machte ihn ebenfalls zu einem gesuchten Rohstoff für Mühlsteine. Dieser Steinbruch wurde im bäuerlichen Nebenerwerb bis nach dem zweiten Weltkrieg abgebaut. Als pikantes Detail ist zu erwähnen. Dass dieser Bauernhof auch heute noch die Fluh benannt den letzten Scharfrichter und Schinder des Amtes beherbergte, Brüttelen ist durch diesen Muschelstein auch in der Wissenschaft zu einem Begriff geworden. 1895 veröffentlichte der Berner Zoologieprofessor Th. Studer einen Bericht über die Versteinerung von Säugetieren die beim Abbau im heute noch offenen Steinbruch gefunden worden waren. Prunkstücke sind Knochen eines Mastodons. eines längst ausgestorbenen Riesentieres. das einen kurzen Rüssel und 4 Stosszähne besessen hatte. Es lebte vor Millionen Jahren in den Sumpfwäldern eines Flussdeltas am Ufer des Molassemeeres in dein eben jener Muschelsandstein zur Ablagerung kam. Noch heute kann der Sammler in diesem Steinbruch Fossilien wie Fischzähne und Versteinerungen aller Art finden.
Mühlen
Brüttelen war früher auch durch seine Mühlen bekannt. Der Mühlebach, der westlich in einem Tälchen vom lnser Gebiet herzieht, trieb vier Mühlen und eine Öle an. Die Leute aus den Nachbardörfern liessen ihr Mahlgut in diesen Mühlen mahlen. Vierspännig wurde das Weizen- und Roggenmehl bis nach Biel in die Bäckereien gefahren. Leider sind alle Mühlräder verschwunden. und die letzte Brüttelen-Mühle, die zuletzt elektrisch betrieben wurde„ stellte ihren Betrieb anfangs der 70er Jahre ein.
Die Bauern zahlten ihren Mahllohn damals nicht in bar. sie überliessen dafür dem Müller einen Teil des Mahlgutes. Da diese zu jener Zeit allein über Waagen verfügten. munkelte man besonders bei einem Betrieb, dass da nicht so seriös gewogen wurde. Später konnte dann die Ware auch daheim nachgewogen werden. Was Jakob lmmer. den Besitzer der untersten Mühle sagen liess: «Seitdem die Bauern mehr Zeit aufwenden, ihre Sachen zu wägen, als die Bibel zu lesen, ist bei der Müllerei nichts mehr zu verdienen». Auf dem Standort der untersten Mühle steht heute übrigens das «neue» Schulhaus.
Brüttelen-Bad
Aus der Chronik von Albert Jahn. eidg. Archivadjunkt. aus dem Jahre 1857, ist folgendes zu entnehmen: «Im Westen der Ortschaft befindet sich in einem hübschen, kleinen Thälchen das sogenannte Brüttelen-Bad. Ein Gesundbad mit weitläufigen Gebäuden und schönen Anlagen. Das Bad dient hauptsächlich gegen alle Arten rheumatischer Übel, Nervenbeschwerden und Hautkrankheiten. Nachdem ein vor Zeiten bestandenes hiesiges Heilbad abgegangen war. liess im Jahr 1737 Rudolf Kasthofer Burger der Stadt Bern und Advokat zu bequemem Gebrauche des Bades ein grosses schönes Gebäude aus Stein ausführen worauf das Bad schon 1738 Wieder stark besucht wurde. Kasthofer verkaufte dasselbe an David Wyttenbach. Seit längerem sind durch die Fürsorge des nunmehr verstorbenen Eigenthümers. Herrn alt-Regierungsstatthalter Müller von Nidau, Veranstaltungen zu Kaltwasserkuren unter der Aufsicht eines eigens bestellten Bade-Arztes und zur Aufnahme von Personen aus den höheren Ständen getroffen worden, sodass alle möglichen Bequemlichkeiten hinsichtlich des Logis und des Badens gefunden werde. Ebenderselbe hat die Umgebung mit Anlagen verschönert. welche nichts zu wünschen übrig lassen»
Viel Kurgäste stammten damals aus Frankreich, und noch heute ist manchmal der Name «Bretiège-les-Bains» zu hören. Man munkelt auch. dass einige dieser Gäste nicht der Kur wegen nach Brüttelen kamen. sondern hier auch etwas «Dolce vita» suchten.
lm Jahre 1866. als die Bade-Euphorie abgeklungen war, wurde das Bad als Anstalt für Epilepsiekranke benutzt und noch etwas später in ein kantonales Mädchenerziehungsheim umgewandelt. Dieses Heim trug den Namen seines Stifters. das Aebiheim. Der Kanton war gezwungen. wegen zuwenig Zöglingen das Erziehungsheim im Jahr 1974 zu schliessen. Kurz darauf wurde das Heim zur Rehabilitation von Drogensüchtigen benutzt und Aebi-Hus benannt. Die Skepsis bei der Bevölkerung gegenüber dieser Verwendung erwies sich als richtig. denn im Jahr 1979 wurde das Zentrum nach Leubringen verlegt. Somit steht das Heim seit zwei Jahren leer. In jüngster Zeit zeichnet sich jedoch ab, dass das Heim als regionales Arbeits- und Beschäftigungszentrum für geistig Behinderte benutzt werden soll. Es wird dann wieder, wie vor rund 300 Jahren. den Namen Brüttelen-Bad tragen.
General Johannes Weber von Brüttelen(1751-1799)
Johannes Weber stammte aus einer alten. Angesehenen und kriegsgewohnten Familie. die in der «Feggen» zu Brüttelen beheimatet war. Er trat als Rekrut 1770 in ein Schweizerregiment ein. das in holländischen Diensten stand. Später wechselte er in ein holländisches Regiment über und avancierte dort bis zum Brigademajor und Adjutant des Prinzen von Oranien. Als Holland 1795 besetzt wurde und er nicht unter den Franzosen dienen wollte. kehrte er in die Heimat zurück. Im Schicksalsjahr 1798 stellte er sich der Berner Regierung zur Verfügung und wurde als Adjutant mit Majorsrang dem Generalquartiermeister von Graffenried zugeteilt. Am 5.März 1798 schlug Weber. den sein Vorgesetzter selbständig handeln liess. die Franzosen bei Neuenegg zurück. Er darf deshalb als der Sieger von Neuenegg bezeichnet werden. Doch der Sieg nützte nichts mehr. Am gleichen Tag hatte Bern nach seiner Niederlage im Grauholz kapituliert. Anfangs 1799 übertrug das helvetische Direktorium Johannes Weber das Kommando der ersten schweizerischen Halbbrigade. Nur widerwillig trat er dadurch unter die Fahne Frankreichs. Schon im Mai desselben Jahres wurde er zum Oberkommandierenden aller helvetischen Truppen ernannt. Bevor er jedoch seine Ernennung zum General vernahm, erlitt er am 25. Mai 1799 in einem Gefecht bei Frauenfeld gegen die Österreicher den von ihm immer gewünschten Soldatentod.
Auf seinem Grabmal bei Frauenfeld steht folgende Inschrift: «Johannes Weber, geboren zu Brüttelen, den 1. November 1751. Nach 25-jährigern Dienst in Holland leitete er am 5. März 1798 das Treffen bei Neuenegg und fiel den 25. Mai 1799 hier, als Oberhefehlshaber der helvetischen Truppen. ungern fechtend für eine andere Sache. Ausgezeichnet in seinem Leben durch Rechtschaffenheit. Vaterlandsliebe, Tapferkeit und kriegerische Einsicht.»
Alljährlich führt Brüttelen zum Gedenken an seinen berühmten Bürger das bekannte General-Weber-Schiessen durch.
Strassenbau lns-Hagneck
Die Strasse Ins-Hagneck wurde in den 1870er Jahren wegen ungeeigneter Linienführung (bedingt durch das sumpfige Gebiet Richtung Moos) neu geplant. Nach langem Hin und Her und mit Prozessen wurde die Ausführung und damit auch die Bezahlung der Gemeinde Brüttelen auferlegt. Schon zu diesem Zeitpunkt waren die Spesenrechnungen nicht problemlos. dies zeigt ein Auszug aus einem Bericht der Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Bern diesen Strassenbau betreffend:
«Ferner hat die Baukommission sich in einer Weise honorieren lassen, wie dies sonst nirgends üblich ist, denn. bei einem derartigen gemeinnützigen Unternehmen dürfen kleine Opfer an Zeit von jedem. erwartet werden. Die bezüglichen Rechnungen betragen Fr. 1873.92 Dann folgen eine Anzahl Auslagen für Advokaten und Notarien, welche zum Theil jedenfalls auch hätten vermieden werden können. Exorbitant ist der Posten 9. Rechnungs- und Verwaltungskosten, wo der Kassier-Sekretär Fr. 5840. 94 für sich verrechnet, ein Verfahren, das nach bei keinem derartigen Unternehmen vorgekommen ist. Bei dieser Sachlage dürfte es im Interesse Ihrer Gemeinde liegen, wenn Ihre Petition dem Grossen Rathe nicht unterbreitet würde, denn es müssten bei Behandlung derselben die unerhörte Rechnungsstellung zur Sprache kommen. und aller Wahrscheinlichkeit nach würde die genannte Behörde Ihr Begehren rundweg abweisen.»
Gäserz
Gäserz wurde 1250 erstmals unter (dem Namen Kesas erwähnt. Die Gäserzgemeinde bestand aus 7 Häusern und hatte im Jahre 1910 48 Einwohner. Sie besass ihre eigene Feuerwehr und ein Schulhaus, das gleichzeitig als Ofenhaus und Versammlungsraum für die Gemeinde diente. Die Schule wurde in den Jahren 1850 aufgehoben. und die Schüler besuchten ab diesem Datum die Schule in Brüttelen. Der «Gäserzer», ein Rot- und Weisswein war weit bekannt. Der letzte Weinbauer übte seinen Beruf bis 1958 aus. Seine Flaschenweine wurden je nach Marktlage zu einem Preis von Fr. 1.10 bis 2.80 verkauft.
Verschmelzung mit Brüttelen im Jahre 1917
Gemäss Aussagen der Gäserzer geschah dies folgendermassen: Im Jahre 1910 baute Brüttelen ein neues Schulhaus und die Gemeinde hatte Mühe. das nötige Geld dafür aufzubringen. In der damaligen Zeit wurde ein grosser Teil Wald von den Brüttelern und den Gäserzern gemeinsam geschlagen. Für die kleine Gemeinde Gäserz genügte dieser Erlös, um sich schuldenfrei und steuerfrei zu halten. Um sich ein wenig zu sanieren, strebten die Brütteler eine Verschmelzung der Gemeinden an. Die Gäserzer wehrten sich verständlicherweise gegen diesen Eingriff. Es kam soweit. dass die Brütteler die Gäserzerschulkinder wieder nach Hause schickten. Da die Schule. Die Käserei. die Viehkasse und die Schützen schon gemeinsam verbunden waren, beschloss der Kanton diese Verschmelzung. Die Gäserzer nahmen den Entschluss grollend an,prozedierten aber nicht. Damit die Brütteler nicht allzuviel profitierten, kauften sie sich privat vorher noch die Gemeinde-Kiesgrube in Treiten zu einem tiefen Preis. Der Groll der alten Gäserzer war noch sehr lange zu spüren. teilweise wurde er mit ins Grab genommen. Auch die damalige Versicherung, dass Gäserz immer im Gemeinderat vertreten sei. konnte keine eigentliche Versöhnung herbeibringen. Heute leben Brütteler und Gäserzer friedlich miteinander.
Hansruedi Kurth