Neuenstadt

Neuve ville (Bonneville, Agathopolis)

Stadt und Amtsitz am linken Ufer des Bielersees, im alten Bisthum Basel, im Rebgelände zwischen Ligerz und Landeron am Fusse des Schlossbergs gelegen, von Bern über Jns und Erlach wie über Biel 9 ¾ Stunden entfernt. Sie hat in 244Häusern 2178 Einwohner. Die meist dem Weinbau oder der Uhrenindustrie obliegen.

Mit Schaffis (Chavannes) und einigen zerstreuten Häusern bildet sie die Kirch- und Einwohnergemeinde Neuenstadt8 in 272 Häusern 2357 Einwohner) Der Amtsbezirk umfasst die Einwohnergemeinden Lamligen, Neuenstadt, Nos, Prägels und Tesz und hat 4473 Einwohner.

Die Gegend war sehr frühe schon bewohnt. Ein Pfahlwerk im See gegen Landeron zu lässt vermuthen, dass hier eine Pfahlbaustation gewesen ( E.v. Fellenberg, im Anzeiger für schweiz. Alterthumskunde 1871, 285)

Auch von einer römischen Niederlassung haben sich Spuren gefunden.

Als die Ortschaft Rugerol mehr und mehr abgieng, siedelte man sich in der Nähe an, unweit eines Thurmes, welcher eines der letztern Gebäude von Rugerol gewesen zu sein scheint. 1257 wird eine Villanova erwähnt, doch war sie offenbar nicht von Bedeutung. Der Bischof von Basel, Gerhard von Wippingen, dessen Stadt Neuve ville oder Boneville im Val de Ruz 1301 vom Herrn von Neuenburg zerstört worden war, begann 1312 den Neubau der Nova villa am Bielersee neben dem verschwundenen Rugerol. So freigebig und grossmüthig bezeigte er sich – die nöthigen Summen brachte er in einem Fasse herbei – dass er Geld aufnehmen musste. 1318 stattete er die Neue Stadt mit den Rechten und Freiheiten seiner Stadt Biel aus (Mgr. Vautrey. Histoire des Evêques de Bâle 318, 323, FRB II. 465, V. 20,407, 649)

Als in Folge des Burgerrechts von Biel und Bern, das Johann von Bienne, der Bischof von Basel, nur unwillig sah, Krieg zwischen diesem und Bern ausbrach, rückten die Berner auch vor Neuenstadt und eröffneten am 25.November 1367 die Belagerung. Aber es herrschte grosse Kälte, Mangel an allem Bedarf stellte sich ein und als sie dennoch den Sturm wagten, erlitten sie nur Verlust. Da zogen sie wiederum ab (Jutzinger 132)

Der Bischof belohnte die standhafte Stadt, indem er ihr am 19.Juni 1368 ein Pasnner, zu dem alle bischöflichen Unterthanen vom Bache Foruel bis zur Stadt, auf dem Tessenberg und in der Pfarre St.Immer verpflichtet waren, ein eigenes Siegel und die Wahl ihrer Behörden ertheilte; sein Meier hatte hohe und niedere Gerichtsbarkeit – Neuenstadt ward also von Biel getrennt (Trouillat IV. 261, Vautrey 407-408)

Als Berns Ansehen durch den glücklichen Krieg mit Oesterreich und Couch gestiegen und Nidau erobert war, schloss Neuenstadt am 11.September 1388 einen Burgerrechtsvertrag mit Bern. Seinen Udel hatte Neuenstadt in Bern auf dem Kauhaus an der Märitgassen (Troillat IV. 510. Blösch, in der Grossen Festschrift 42).Ein Burgerrechtsvertrag mit Biel folgte1395.

Ein Kleiner und ein Grosser Rath von je 24 Mitgliedern mit zwei Bürgermeistern verwaltete die Stadt. Den Vorsitz des Kleinen Rathes führte der bischöfliche Meyer. Das Stadtgebiet erstreckte sich vom Ofen von Ligerz im Osten bis zum Stadtbach bei Landeron im Westen.

 Kraft des Burgerrechtes leistete Neuenstadt Bern Kriegshülfe, zuerst 1415 bei der Eroberung des Aargaus (Tillier II.29). Bei Murten fochten 90 Mann von Murten, Peterlingen und Neuenstadt (Ochsenbein, die Urkunden der Belagerung und Schlacht von Murten 549)Noch werden als eine Kostbare Beute der Burgunderkriege die Kanonen aufbewahrt, sieben Feldschlangen und drei Bombarden (E.v. Rodt, historische Alterthümer der Schweiz, Blatt 6, Erläuterungern 8)

Diese Verhältnisse blieben bis zur französischen Revolution. 1792 wurde der katholische Theil des Bisthums Basel zur Rauracischen Republik umgewandelt, 1793 Frankreich einverleibt. 1798 ereilte dieses Schicksal auch den protestantischen Theil mit Biel und Neuenstadt. Am 6.Januar dieses Jahres versammelten sich die Räthe der Stadt zum letzten Mal. So blieb das Bisthum französisch bis zum Sturze Napoleons. Am 18.Januar 1814 traten alle noch lebenden Mitglieder der alten Räthe zusammen. Aber selbständig blieb oder wurde Neuenstadt nicht. Der Wienercongrass bestimmte die Vereinigung des Bisthums mit dem Kanton Bern. Am 18.März 1816 schuren die neuenstädtischen Behörden Bern. Neuenstadt mit Nos, Tess, Lamligen und Prägels wurde 1816 zum Oberamte Erlach geschlagen, 1846 aber zu einem eigenen Amtsbezirke gemacht.

Von der Reformation bis zum Jahre 1639 amteten ein Pfarrer und ein Helfer, 1639 wurde die Helferei zur 2. Pfarrei erhoben. Die Räthe beschlossen am 16.März 1713 den deutschen Prediger – Keller hiess der Unglückliche – zu entlassen, weil niemand mehr seine Predigt besuchte. Die Pfarren wurden 1837 für die beiden Sprachen getrennt; die deutsche Pfarre ward dem NIdaucapitel einverleibt, während die französische bei dem Bielcapitel verblieb.

Ein noch stehendes Haus zwischen Neuenstadt und Landeron gehörte Niklaus von Graffenried. Sein und seiner 2. Gemahlin Dorothea Michel Wappen, das in Stein gehauen das Haus zierte, befindet sich nun im historischen Museum von Bern. Es trägt die Jahrzahl 1573. Niklaus von Graffenried, geboren 1530, ein Mann von sehr hohem Wuchs, war der Burgern 1555, Grossweibel 1557, Vogt nach Aelen 1557, des Raths und Venner 1561, Teutschseckelmeister 1562 und nachdem er 1563 resignirt, wiederum 1570. Er starb demn 12.April 1580. Er besassden Zehnten zu Allmendingen und grosse Güter zu Landeron und den Zehnten von Brüttelen, den er von der herzogin von Remours gekauft. Jn der Stadt gehörte ihm das Gesellschaftshaus von Niedergerbern, das er gekauft. Auch war ihm der König von Frankreich eine grosse Summe schuldig. N.v.Gr. hinterliess eine zahlreiche Nachkommenschaft. Sein Bruder war Abraham, der Schultheiss von Bern 1590- 1600.

Burgergeschlechter von Neuenstadt: Ballif, Beljean, Beerstecher, Bourgignon, Bühler, Cellier, Châtelain, Cosandier, Cunier, Daulte, Eckard, Evard, Ferrier (Hugenotten) ; Fontaine, Frei, Gascard , Gibollet, Gross, Geisbühler, Harsch, Hirschi, Jmer, Klenck, Krieg, Köhser, L’Eplattenier, Landolt, Lée, Marolf, Morlet, Propst, Peter, Quinche, Racle, Revel, Riemschneider, Schem-Karlen, Schenk, Schmitter, Schnyder, Schopper, Schwander, Tschiffeli, Tribolet, Türler, Wyss (Rämy 311)

Von einzelnen derselben sind Mitglieder auch Burger zu Bern geworden:Balli 1840 zünftig zu Kaufleuten, Gross 1886 zünftig zu Pfistern, Tschiffeli 816 zu Kaufleuten (andere dieses Namens stammen aus Biel); die Tribolet zu Bern kommen nicht von Neuenstadt, sondern von Gals (bernisches Burgerbuch)

Die Burger bildeten drei Gesellschaften; Rebleute, Fischer und Schuhmacher, die sich jährlich zum grand plaid oder journée du pays versammelten.

Sehr verdient um die Erforschung der Pfahlbauten ist der bekannte Sammler Dr.Victor Gross.

Jn schlimmer Erinnerung stehen bei den Rebbesitzern und Rebleuten die kalten Winter von 1829 auf 1830 und 1879 auf 1880. Den grössten Schaden aber haben in erdenkbaren Zeiten die Hagelschläge des Jahres 1708, am 31.Juli, 18. Und 23.August angerichtet, sowie die Unwetter von 1892.

Zimmerli 1891

Neuveville, Neuenstadt zählte bei der Volkszählung von 1888 353 französisch und 147 deutsch sprechende Haushaltungen mit 1476 französisch und 827 deutsch sprechenden Personen. Im Jahr 1870 fanden sich 293 welscheund 128 deutsche Familien. Das Kleingewerbe, der Kleinhandel und die Wirtschaften sind fast gänzlich in den Händen eingewanderter Deutschschweizer, während die Arbeiter in den vier Uhrenfabriken vorwiegend der französischen Zunge angehören. Die Aufschriften auf den Kaufläden und öffentlichen Lokalen sind fast ausschliesslich französisch. Eine Hauptressource des Städtchens bilden die grossen französischen Institute: vier Mädchenpensionate und ein Knabenpensionat. Die Befürchtung, ein weitergehendes Überhandnehmen des deutschen Elements möchte den Ruf und das Gedeihen dieser Anstalten als Vermittler des Französischen und damit die materiellen Interessen der Stadt überhaupt gefährden, ist naheliegend genug und ihr ist es wohl zuzuschreiben, dass die Bevölkerung im Allgemeinen etwas mehr welsches Wesen herauskehrt, als man nach Massgabe der vorliegenden Sprachverhältnisse zu erwarten geneigt wäre.

Seit 1830 haben die Deutschen hier einen eigenen Pfarrer, ohne jedoch eine besondere Kirchgemeinde zu bilden. Der deutsche Gottesdienst wird fast nur von der flottirenden Bevölkerung besucht; die Kinder deutscher Eltern gehen so zu sagen alle in den französischen Religionsunterricht, sodass der deutsche Pastor z.B. gegenwärtig (Februar 1890) nur 7 Katechumenen zu unterrichten hat. – in den drei obersten Klassen der Primarschule sind wöchentlich drei Stunden für den Unterricht im Deutschen angesetzt; diese Stunden sind fakultativ und werden verhältnismässig wenig besucht.

Urkundlich erscheint der Ortals : Villa-nova prope turrim de Nugerols um 1257,FRB II, 465; Nova-villa, juxta castrum dictum Slosberg 1314, ibid IV, 591; ecclesia Novae-villae alias Neuvenstat 1489, Trouillet V, 629

Der Annex Chavannes, deutsch Tschafis, besteht aus 23 Haushaltungen. Der ort wird voraussichtlich das Loos des zehn Minuten entfernten germanisierten Ligerz teilen und in nicht ferner Zeit vollständig deutsch sein. Heute wird noch in 4 Haushaltungen voriwegend französisch gesprochen, während in 3 andern der Mann französisch, die Frau deutsch ist. Die Welschen sind hier des Deutschen ebenso mächtig wie ihrer Muttersprache. Es ist interessant, dass zwei junge Männer aus hiesigen romanischen Familienb zu den eifrigsten und leitenden Mitgliedern des deutschen Männerchores von Ligerz gehören,. – Der letzte Mann (Namens Teusch), der noch die einherimische romanische Mundart sprach, starb im Jahr 1888 im Alter von 89 Jahren; er soll oft gesagt haben, dass in seiner Jugendzeit das Patois die gewöhnliche Umgansgsprache im Dörfchen gewesen sei.

Die ältesten Familiennamen sind Cosandier, Fontaine und Teutsch

Urkundlich Belege: Petrus de Chavannes um 1262, FRB II, 570; vinea que dicitur „li clos des Chavanes“ 1285, ibid III, 386 ; Cono de Zschauans 1338, Trouillet III, 499

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