Fliesen aus Kappelen, Kanton Bern.
Auf dem Kirchhofe zu Kappelen bei Aarberg stund noch vor 20 Jahren ein kleines aus dicken Mauern erstelltes Gebäude das «Kapelli» geheissen. Kaum vier Meter lang
und etwa halb so breit, hatte es eine einzige romanische schmale Fensterlucke und war ohne jeglichen Schmuck. Die Sage, es sei dieses ›Kapelli« die Mutterkirche des Dorfes,
ist wohl darum entstanden, weil sonst in protestantischen Gegenden fast sämmtliche Beinhäuser geschleift worden sind. Ein solches ist ohne Zweifel auch dieses schmucklose und einfache Gebäude gewesen, dessen Material nach dem Abbruche verkauft und zerstreut worden ist.
Ein Zufall hat mich kürzlich zur Wiederentdeckung von Resten geführt. Backsteinfliesen, die angeblich in der Decke des Beinhauses verbaut gewesen sind, hat man nach
dem Abbruche desselben zu Bodenbelag in der Küche eines hiesigen Hauses verwendet. Es gelang mir, im Ganzen fünf mehr oder weniger gut erhaltene Stücke auszuheben,
viereckige Platten von 0,03 m. Stärke und circa M. 0,24 Seitenlänge, die alle dieselbeDarstellung einer eigenthümlichen Thierfigur in annähernd quadratischer Umrahmung
weisen. Der Grund, von dem sich dieses Gebilde in gleicher Fläche mit dem umgebenden Rande abhebt, ist nur 1 bis 3 mm. gegen den letzteren vertieft und das 11 cm. Breite und 10 cm. hohe Model nicht einmal winkelrecht zugeschnitten. Auch wurde dasselbe so flüchtig applicirt, dass der Abdruck auf einer Fliese beträchtlich unter der Mitte steht und die eine Ecke immer tiefer als die gegenüber liegende eingepresst worden ist.
Auf den ersten Blick erhellt, dass der Stil dieses greifenartigen Ungethümes ein anderer als derjenige verwandter Darstellungen auf ßacksteinen von S. Urban und den Strassberger Fliesen ist, und somit, wenn nicht ein ungelenker Modelstecher des XIII. Jahrhunderts seine Kunst erprobte, auf älteren Ursprung dieser Backsteine, auf das vorhergehende Jahrhundert, geralhen werden möchte. Je ein Exemplar dieser gleichartigen Stücke wurden den Sammlungen von Basel, Bern, Burgdorf und Zürich überlassen, das fünfte hat sich eiın Sammler ausgebeten.
Kappelen bei Aarberg, 10. März 1887. L. Gerster, Pfarrer.