Gemeindeordnung und Behörden

Noch immer bildete die Handfeste von 1352, durch manche Zusätze und Verordnungen ergänzt und erweitert, das Grundgesetz. Zu Ende des Jahrhunderts wurde das Ganze geordnet und von Meier, Rat und Gemeinde als Stadtrecht erklärt.

Es bestanden jetzt zwei Räte von je 12 Mitgliedern, ein alter und ein junger, die jährlich wechselten, so daß also nur einer im Amte war und regierte. Seltsam und unsern Begriffen von Wahldemokratie zuwider mutet die Wahlart an. Im Januar wählte jeweilen der «junge >› Rat des alten Jahres als nunmehriger «alter» Rat des neuen Jahres die abgetretenen «alten›› Räte als «junge» Räte wieder! In wichtigen Geschäften tagten die beiden Räte immerhin gemeinsam. Zusammen bildeten sie auch das Stadtgericht - es gab noch keine Trennung der Gewalten.

Den Vorsitz führte der vom Bischof jedes Jahr gewählte oder bestätigte Meier. Als bischöflicher Amtmann hatte er natürlich vorab die Rechte und den Nutzen des Stadtherrn zu wahren, zugleich aber auch Anteil an der Leitung und den Geschicken der Stadt. Die Zwiespältigkeit seiner Stellung barg von Anfang an den Keim zur Gegnerschaft, indem das erstarkende Gemeinwesen sich je länger je mehr dem Einfluß des Meiers und damit der Herrschaft des Bischofs zu entziehen trachtete. Das Amt erforderte politische Klugheit und Anpassungsfähigkeit. Namentlich stellte die von Rat und Bürgerschaft betriebene, von den Bischöfen nur widerwillig hingenommene Burgrechts- und Bündnispolitik die Vermittlungskunst des Meiers auf die Probe, denn ihm oblag , die Bündnisse im Namen der Stadt zu beschwören und in Kraft zu setzen. Wie bei den Bischöfen lösten auch bei den Stadtmeiern mehr und weniger wohlgesinnte einander ab. Ordentlicher weise versammelte sich die Gemeinde zur Wahl des Venners und regelmäßig am ersten Sonntag des Jahres zur Eidesleistung in der Kirche. Zu dem Zwecke trafen sich alle Bürger auf ihren Zunftstuben und zogen von dort nach der Kirche, wo der versammelten Gemeinde durch den Stadtschreiber die Handfeste und der vom Bischof ausgestellte Freiheitsbrief vorgelesen wurde. Dann legte der Meier seinen Bestallungsbrief vor, worauf Räte, Meier und Gemeinde gegenseitig ihre Pflichten beschweren. Stets auch war die ganze Bürgerschaft versammelt, wenn der Bischof in die Stadt geritten kam oder wenn es um Krieg und Frieden ging.

Das hervorragendste städtische Amt bekleidete nicht, wie man annehmen sollte, der Bürgermeister, sondern der Venner. Er war als Träger des Stadtbanners der Befehlshaber über die waffenfähige Mannschaft, was ihm in jener gewalttätigen und fehdeerfüllten Zeit ein besonderes Ansehen eintrug.

Zum Bieler Banner, über das der Venner gebot, gehörte auch die Mannschaft des Erguels und einiger linksufriger Seegemeinden. Der Venner vertrat als Statthalter den Meier und war in Ausschüssen und Kommissionen öfters an leitender Stelle. Die Bedeutung des Venneramtes spiegelte sich auch im feierlichen Wahlvorgang. Während für andere Wahlen die Räte zuständig waren, wurde der Venner von der Gemeinde gewählt. Die Erinnerung an die aus den Burgunderkriegen bekannte Vennergestalt des Peter Göuffi ist noch heute lebendig.

Von besonderer Art war in Biel während des ganzen Mittelalters das Bürgermeisteramt und nicht zu vergleichen mit der Stellung und Bedeutung eines Bürgermeisters anderer Städte. Es gab hier deren gleich zwei, die nicht etwa, wie der alte und der junge Rat, einander ablösten, sondern zusammen

ihres Amtes walteten. Dieses bestand zur Hauptsache in der Betreuung der städtischen Finanzen, also eigentlich in den Obliegenheiten eines Säckelmeisters. In ihren Büchern, wie aus der Rechnung von 1390 hervorgeht, bezeichnen sie sich denn auch bescheiden als «der Stadt oder der Burger Knechte». Erst um die Mitte des 16. Jahrhunderts treffen wir an der Spitze des Gemeinwesens einen Bürgermeister, während nun die öffentlichen Gelder von einem «Seckelmeister» betreut wurden.

Eine wichtige und einflußreiche Amtsperson war der Stadtschreiber: Protokollführer des Rates und des Gerichtes, juristischer Berater, daneben öffentlicher Notar, hin und wieder auch Schulmeister an der Lateinschule.

Von weiteren städtischen Ämtern, deren es eine ansehnliche Zahl gab, sind zu nennen: die Weibel, die Tor- und Turmwächter, die Nachtwächter, die Stadtläufer, der Werkmeister (Stadtbaumeister), die Zeugmeister, die Bannwarte und, nicht zu vergessen, die Stadtpfeifer.

Die Besoldungen und Löhne waren bescheiden. Die Ämter nahmen ihre Inhaber nicht voll in Anspruch und ließen ihnen Zeit, daneben einer andern Beschäftigung nachzugehen.