Wiederum Flüchtlinge

Die Februarrevolution in Paris und die Vertreibung des Bürgerkönigs Louis Philipp (1848) spaltete Europa in ein Lager der Revolution und in eines der Gegenrevolution. Nach anfänglichem Zurückweichen bekamen die alten Gewalten wieder die Oberhand, und eine Flut von Flüchtlingen aus den umliegenden Ländern, die meisten aus Baden, ergoß sich in die gastliche Schweiz und barg sich hinter ihren schützenden Grenzen vor den Verfolgungen. Überall bildeten sich Komitees zur Sammlung und Verteilung von Liebesgaben für die von allem entblößten Flüchtlinge. Desgleichen in Biel, wo die eingetroffenen hundert Deutschen mit offenen Armen empfangen wurden. Aber es zeigte sich bald, daß man nicht eitel Freude an ihnen erleben sollte. Manche konnten der Verlockung nicht widerstehen, vom sichern Port die revolutionäre Gärung in ihrem Heimatlande weiter zu schüren, besonders da, wo sie, wie in Biel, auf die Unterstützung Gleichgesinnter rechnen durften.

Die Stadt war zu einem wahren Herd aufrührerischer Propaganda geworden. Die leicht erregbare Bevölkerung ergab sich nur allzuwillig dem Einfluß der fremden Freiheitsapostel. Der Ort, der einst so spröde gegen die Aufnahme Fremder tat, hatte sich zu einer Freistatt allerlei Volkes gewandelt, politischer Glaubenshelden und radikaler Dunkelmänner.

Ernst Schüler hatte schon früher ganz offen erklärt, daß er naturgemäß Anhänger aller Bestrebungen und Bewegungen sei, die auf den Umsturz in Deutschland hinarbeiteten. Philipp Becker, obschon Besitzer einer Zigarrenfabrik, bekannte sich zu kommunistischen Gedankengängen, Albert Galeer,

ein anderer Bieler, prägte Wesen und Ziele des Grütlivereins, dieses linken Flügels des Radikalismus.

Von Biel aus wurde die Bildung einer «deutschen Legion» betrieben und den Außtändischen jenseits des Rheins bewaffneter Zuzug versprochen. Hier wurden revolutionäre Aufrufe und andere Druckschriften verfaßt und verbreitet, und hier erschien die von Becker redigierte Zeitung «Revolution›>, auf Verwarnung dann umgetauft in «Evolution>›. Die linksradikale Berner Regierung unter Stämpfli ließ das alles unbeanstandet durch, obwohl sie wissen mußte, daß sie damit gegen die schweizerische Neutralität verstieß und dem Bundesrat Ungelegenheiten bereitete. Von diesem verfügte Ausweisungen wurden nur widerwillig und zögernd vollzogen. Schon das bloße Dasein einer freiheitlichen Schweiz inmitten der europäischen Reaktion reizte die Mächte. Geharnischte Vorstellungen und Zumutungen, die mit dem Asylrecht unvereinbar waren, blieben nicht aus. Der Bundesrat ist aber nie dem auf ihn ausgeübten Druck erlegen. Korrekt und würdig führte er denjungen Bundesstaat durch die Gefahren, die ihn von innen und außen bedrohten. Den unermüdlichen Anstrengungen des Bundesrates gelang es, die ausländischen Regierungen zur Amnestie und Wiederaufnahme ihrer Angehörigen zu bewegen, so daß sich die Schweiz von den schwierigen Gästen langsam entleerte. Zurückgebliebene erkoren sich unser Land zur neuen Heimat, fanden an den Schulen ihre Wirkungsstätte und befruchteten so wohltätig den höheren Unterricht. Als Gelehrte und Schriftsteller leisteten sie einen reichen Beitrag zum schweizerischen Geistesleben.

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