Errichtung eines Gymnasiums

Die der materiellen Wohlfahrt dienende Unternehmung fand ihr geistiges Gegenstück in dem vom Staat mit Hilfe der Stadt errichteten Gymnasium, einer zweisprachigen Bildungsanstalt für Biel und den reformierten Südjura, wie der katholische Teil des Bistums sie in den Kollegien zu Pruntrut und

Delsberg besaß. Das Lehrziel bestand in der Vermittlung einer wissenschaftlichen Bildung und der Vorbereitung auf die bernische Akademie. Mit der Schule war ein Pensionat für auswärtige Schüler verbunden. Beide Anstalten waren in dem ehemaligen Johanniterkloster untergebracht, wo sich heute das Dufourschulhaus befindet.

Der von Stadtpfarrer Conrad Appenzeller geleiteten Schule war eine kurze Blütezeit beschieden. Dem Lehrkörper gehörte auch der durch seine skurrilen Gedichte in der vergangenen Bieler Mundart bekanntgewordene Pfarrhelfer Adam Friedrich Molz an. Obschon er im Kirchendienst stand, scheint die Wahl des freigeistigen Mannes bei der obersten Aufsichtsbehörde, dem erzkonservativen bernischen Kirchen- und Schulrat, Anstoß erregt zu haben. Jedenfalls mußte sich Molz gegen die Beschuldigung, «unerlaubte, äußerst unanständige und religionsfeindliche Reden» geführt zu haben, verteidigen.

Das Gymnasium erfreute sich während der ersten Zeit eines gewissen Rufes. Es zählte zu seinen Zöglingen nachmals berühmte Männer, wie den Naturforscher Agassiz, den französischen Schriftsteller und Diplomaten Graf Gobineau, den Theologen Alexander Schweizer. Organisatorische Mängel, hauptsächlich jedoch Mißhelligkeiten unter der Lehrerschaft und öfterer Wechsel - auch Appenzeller war von der Leitung zurückgetreten – konnten nicht ohne schädlichen Einfluß auf den Gang der Schule bleiben. In den letzten Jahren wirkten auch deutsche Flüchtlinge als Lehrer, unter ihnen Karl Mathy, der spätere badische Staatsminister, und Ernst Schüler, Begründer der Bieler Uhrenindustrie. Die engen Verbindungen, die diese Leute mit ihren politischen Glaubensgenossen pflegten, und die von ihnen entfaltete angriffige Publizistik schufen der Schule, die ohnehin unter der dumpfen Bildungsfeindlichkeit eines Teils der Bürgerschaft zu leiden hatte, vermehrte Ungelegenheiten. Schon früher war eine Petition an den Rat der Stadt gelangt, die neben der Abgabe von mehr Burgerholz, der Freigabe des Weinausschanks durch die Rebbesitzer und der Aussperrung fremder Handwerker auch die Aufhebung des Gymnasiums begehrte. Als dessen heftigster Gegner tat sich der sattsam bekannte, inzwischen zum Präsidenten des Burgerrates aufgerückte und als Vertreter der Burgergemeinde im Verwaltungsrat des Gymnasiums sitzende Dr. Nieschang hervor. Die bernische Regierung, die bisher gegenüber dem revolutionären Treiben der Flüchtlinge große Duldsamkeit bezeugt hatte, griff nun unter dem Drucke der erbosten fremden Mächte hart zu. Die Landesverweisung traf unter anderen auch Mathy. Schüler, der noch kurz vor seiner Verhaftung in das Bürger- und Landrecht aufgenommen worden war, ging seiner Lehrstelle verlustig. Die Tage desGymnasiums waren gezählt, an seine Stelle trat 1836 eine Sekundarschule.