Wieder Krise - Langsame Erholung

Nachdem schon im Jahre 1930 vereinzelte Betriebseinschränkungen und Arbeiterentlassungn als unheimliche Vorboten das Herannahen einer Wirtschaftskrise angekündigt hatten, breitete sich in den darauffolgenden Jahren die Arbeits- und Verdienstlosigkeit schlagartig aus. Der allgemeine wirtschaftliche Niedergang traf die Uhrenindustrie, den Haupterwerbszweig Biels, mit unerhörter Wucht. Eine Zeitlang hatte es den Anschein, als ob das gesamte Geschäftsleben der Stadt ins Stocken geraten sollte. Bekanntlich ist es die Wirtschaft, die die goldenen Eier liefert, womit Staat und Gemeinden ihre mehr und weniger schmackhaften Omeletten backen. Es konnte nicht ausbleiben, daß das mit großen Anstrengungen und Steueropfern erkaufte Budgetgleichgewicht durch die ungünstigen Rechnungsabschlüsse bald über den Haufen geworfen wurde. Der Umschlag zeigte, wie gut die Behörden beraten waren, als sie dem früher von anderer Seite geforderten Steuerabbau entgegentraten. Indem die Mehrheit der Stimmberechtigten der Verlockung einer Steuerermäßigung widerstand, stellte sie sich ein ehrendes Reifezeugnis aus. Die mit Hilfe von billig gewährten Bankkrediten unternommenen Notstandsarbeiten reichten zwar nicht aus, das ganze große Heer der Arbeitslosen zu beschäftigen, aber sie verhalfen doch vielen zu Verdienst und milderten das Übergreifen der Krise auf das Baugewerbe.

Um einer Bevormundung durch die Geldgeber zu entgehen, mußte der Kampf gegen die Rechnungsdefizite mit allen Mitteln geführt werden. Das ist leicht gesagt, aber schwer getan, besonders wenn berufsmäßige Aufwiegler die Maßnahmen der Behörden verdrehen und dem Personal weiszumachen suchen, daß ihm, ungeachtet der eingetretenen Verbilligung der Lebenshaltung, mit einem Lohnabbau großes Unrecht geschehe. Doch die Betroffenen waren verständiger, und es zeugte wiederum von politischer Einsicht und Opferbereitschaft der Bürger, daß sie den einschneidenden Maßnahmen: Erhöhung des Steuerfußes und Kürzung der Sach- und Personalausgaben zustimmten. Das war der Preis, um den Biel in unheilvoller Zeit, die mehr als einer Uhrmacherstadt zum Verhängnis wurde, dem finanziellen Zusammenbruch wehrte und den Weg zu neuem Aufstieg frei hielt.

Jahr für Jahr verging ohne Anzeichen einer Besserung. Schon lief das böse Wort von der Dauerkrise um. Zum letzten, schier verzweifelten Mittel greifend, verfügte der Bundesrat 1936 die Frankenabwertung, die unserer Exportindustrie neues Leben einhauchen sollte. Das Mittel wirkte in der Tat, die Aufträge für die Uhrenindustrie mehrten sich, die Fabriken kamen wieder in Gang, und das Wirtschaftsleben begann, sich langsam zu erholen, um bald in Vollbeschäftigung und später sogar in Überbeschäftigung zu münden. Freilich erfuhr dieses Bild, das vor dem düstern Hintergrund des Krieges stand, insofern eine Trübung, als der sich einstellende Rohstoffmangel, besonders an Kohle, Eisen und Zement, da und dort zu Betriebseinschränkungen führte. Allerdings nicht in der Uhrenindustrie, der weder die Rohstoffe noch die Aufträge mangelten.

Bessere Rechnungsabschlüsse vermochten, trotz der durch die Teuerung und die Wohnungsnot verursachten Aufwendungen, dem in der Krisenzeit gestörten Finanzhaushalt der Stadt wieder aufzuhelfen und die angestiegene Schuldenlast zu einem erheblichen Teil abzutragen. Den guten Kredit der Stadt zu erhalten und zu pflegen war schon deshalb die besondere Sorge des Gemeinderates, weil der durch den Rohstoffmangel aufgestaute Baubedarf für die Zukunft ein mächtiges Anschwellen der Bauausgaben voraussehen ließ.

Die Not der Krisenjahre führte den Gemeinderat zur Erkenntnis, daß selbst im Fall einer Erholung der Uhrenindustrie mit einer sozusagen auf einem Bein stehenden Wirtschaft kein dauerndes Auf- und Auskommen mehr war. Das im heftigen Auf und Ab dieser Industrie mitschwankende Erwerbsleben der Stadt benötigte unbedingt eines ausgleichenden Gegengewichts, anders gesagt, die krisenanfällige wirtschaftliche Einseitigkeit konnte nur durch eine größere gewerbliche Mannigfaltigkeit überwunden werden. Die unternommenen Anstrengungen zur Ansiedlung neuer Industrien zeitigten als vornehmste Frucht die Gründung eines Automobilmontagewerkes der amerikanischen Weltfirma General Motors in Biel. Bei den Verhandlungen über die vielumworbene Niederlassung, wofür zunächst eine leerstehende Fabrik in Aussicht genommen war, gab den Ausschlag das Angebot der Stadt, der Firma auf gemeindeeigenem Boden eine ganz nach ihren Bedürfnissen und Wünschen eingerichtete Fabrik mit Geleiseanschluß zu bauen und zu vermieten. Mit dem Bau wurde sofort begonnen, und im Jahre darauf, 1936, konnte die Fabrik, der ein anerkannter Architekt «kristallhafte Ordnung» nachrühmte, dem Betrieb übergeben werden. Im Februar des gleichen Jahres rollte das erste Automobil aus den Werkhallen, im Juli 1957 folgte ihm das 50‘000ste, 1961 das 100‘000ste. Im Jahre 1947 machte die General Motors AG Schweiz von dem ihr eingeräumten Kaufrecht Gebrauch. Es war der programmäßige Abschluß eines Geschäfts, das sich auf vertrauensvolle Zusammenarbeit gründete und bei dem die Erwartungen beider Vertragsparteien sich aufs schönste erfüllten. Das in voller Entwicklung begriffene Unternehmen beschäftigt gegenwärtig 1100 Arbeiter und Angestellte. Es ist aus dem Wirtschaftsleben der Stadt und der Schweiz nicht mehr wegzudenken und bleibt ein Beispiel beherzter und entschlossener Selbsthilfe in drangvoller Zeit. – Kein Glück hatte die Stadt mit dem von einem Schaffhauser Ingenieur gebauten und von ihr mitfinanzierten Musterflugzeug. Bei der Vorführung entsprach die Maschine in keiner Weise den Erwartungen. Die Beziehungen zum Erbauer wurden daraufhin, seines Protestes ungeachtet, sofort abgebrochen.

Der Gedanke eines schweizerischen Zentrums für Leibesübungen begegnete in Biel angestammter Sportfreundlichkeit und wurde sofort zum einmütigen Anliegen von Behörden und Bevölkerung. In eindrucksvollen Kundgebungen sprachen sich nicht allein die Turn-, Sport- und Militärvereine für die Übernahme der geplanten Eidgenössischen Turn- und Sportschule aus, auch sämtliche politischen Parteien und Wirtschaftsverbände verwendeten sich dafür. Die Bewerbung um den Sitz der Schule stützte der Gemeinderat hauptsächlich auf die unbestreitbaren Vorzüge des Geländes von Magglingen. Der Bundesrat, der den Standort des vielbegehrten Instituts zu bestimmen hatte, entschied sich für Magglingen, nachdem eine strenge Prüfung bezüglich geographischer Lage, Klima, Bodenbeschaffenheit und Überbauungsmöglichkeiten die besondere Eignung des Gebietes erwiesen hatte. Trotzdem ist die Wahl dem Bundesrat nicht leicht gefallen, weil starke politische Kräfte für Neuenburg-Chaumont wirkten. Heute anerkennt man auch in der welschen Schweiz, daß die Schule in Magglingen am richtigen Ort steht. In dem mit dem Bund 1944 abgeschlossenen Vertrag verpflichtete sich die Stadt, den für die Schule erforderlichen Grund und Boden zu erwerben und alle Gebäulichkeiten und Anlagen in eigenen Kosten zu errichten. Die vom Bund in Miete genommenen Einrichtungen kann er jederzeit käuflich an sich ziehen, und zwar unter Abzug eines von der Stadt zu leistenden Beitrages von 20 Prozent der Land- und Baukosten. An dem über die Gestaltung der Gesamtanlage eröffneten Wettbewerb erhielt das Projekt der Architekten Schindler und Dr. Knupfer den ersten Preis und wurde zur Ausführung bestimmt. Die Bauten und Plätze fügen sich in vorbildlicher Weise in die Landschaft ein. Weil die Schule neben den Turn- und Sportanlagen auch Verwaltungs-, Unterrichts- und Unterkunftsräume bedurfte, überließ ihr die Stadt das zu dem Zwecke gekaufte und eingerichtete ehemalige Grand Hotel Magglingen. Der stolze Bau steht auf vorgeschobener Bergterrasse und leuchtet als weit sichtbares Wahrzeichen der Schule ins Land hinaus.

Die letzten Jahre standen im Zeichen einer sich überstürzenden Entwicklung, die im Bau von Quartierschulhäusern, in der Förderung gemeinnütziger Wohnsiedlungen und in beträchtlichen Straßenbauten zum Ausdruck kam. Während die dafür nötigen Kredite jederzeit die Zustimmung einer ausgabewilligen Bürgerschaft fanden, löste die großzügige, aber kostspielige Bodenpolitik der Behörden allmählich Bedenken aus und stößt auf zunehmenden Widerspruch.