Die Heilsarmee in Biel

Das Auftreten der Heilsarmee war anfänglich überall von feindseligen Gewalttätigkeiten begleitet, auch in Biel, wo ihre Sendlinge 1883, und zwar zuerst in der Kapelle der Methodisten erschienen. Als dies bekannt wurde, sammelte sich an einem Sonntag vor der Kapelle an der Neuhausstraße eine aufgeregte Volksmenge und bombardierte das Haus mit Steinen. Das hinderte nicht, daß einige Tage später eine Anzahl uniformierter Heilssoldaten unter Anführung eines Obersten in der Stadt auftauchten und auf offener Straße sangen und predigten. Als besonders herausfordernd empfand man, daß sie vor den Kirchentüren mit Flugzetteln zu ihren Versammlungen einluden. Fest entschlossen, Biel für ihre Sache zu «erobern», mieteten sie sich in einem Haus an der Bahnhofstraße ein. Auf Sonntag, den 20.Juli 1884 , wurde eine öffentliche Versammlung angesagt. Eingedenk früherer Vorfälle, war der Versammlungssaal von innen versperrt worden. Das wirkte auf die feindlich eingestellte Bevölkerung wie eine Aufforderung zu mißfälligen Kundgebungen. Am Abend war die Bahnhofstraße von Tausenden besetzt, die bald eine drohende Haltung einnahmen. Vergeblich versuchten der Regierungsstatthalter und die Polizei, die Aufgeregten zu beschwichtigen. Steine wurden gegen das Haus geschleudert und das vor den Fenstern und Türen aufgebaute Schutzwerk weggerissen. Trotz der Verhaftung einiger der ärgsten Radaumacher wurde schließlich der Saal regelrecht gestürmt. Doch die Heilsarmeeleute hatten ihn bereits durch eine Hintertüre fluchtartig verlassen. Aber sie gaben sich nicht geschlagen und kündigten schon für den folgenden Tag wieder eine Versammlung an. Abermals wurde der Saal gestürmt, und abermals waren die Heilsboten verschwunden. Aus Rache wurde zertrümmert, was sich an Mobiliar vorfand. Die aufgebotene Polizeimannschaft vermochte die Menge nicht zurückzuhalten und mußte zu ihrem eigenen Schutze blank ziehen.

Zugegeben, das lärmige Auftreten der Heilsarmee, ihre nach den weltlichsten Melodien gesungenen frommen Lieder, ihre nicht immer durchsichtigen Geldsammlungen konnten Anstoß erregen, doch rechtfertigt das alles keineswegs die schlimmen Ruhestörungen und Bedrohungen, die der Religionsfreiheit ins Gesicht schlugen. Da auf den nächsten Tag erneut eine Versammlung angekündigt war - die Heilssoldaten ließen sich nicht einschüchtern-  wurde die Regierung von den Vorfällen in Kenntnis gesetzt. Diese stellte eine Kompanie auf Pikett und sandte den Landjägerkommandanten mit 6 Mann nach Biel. Angesichts dieser Maßnahmen verlief der Dienstag endlich ohne Ausschreitungen.

Eine in die Tonhalle einberufene «anti-salutistische» Versammlung «stellte fest», daß die Heilsarmee «eine Vereinigung arbeitsscheuer Müßiggänger sei, die die Religion zu einem lukrativen Schwindelgesehäft herabwürdigen», und protestierte «gegen das Vorgehen der kantonalen und eidgenössischen Behörden in Betreff der Bewilligung für die Abhaltung von Salutisten-Versammlungen››. Sie verstieg sich zu dem Begehren an die kantonale Regierung, «bei den Eidgenössischen Behörden dahin zu wirken, daß alle Versammlungen der Salutisten auf dem ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft verboten und nicht schweizerische Angehörige der Heilsarmee sofort ausgewiesen werden». Daß in Biel «tonangebende Persönlichkeiten» die Kundgebungen verurteilten und sich sogar für die Heilsarmee verwendeten, wurde in radikalen Kreisen mit Unwillen vermerkt. Die Regierung ließ sich durch die unrühmlichen Vorgänge in Biel bestimmen, der Heilsarmee das Auftreten im ganzen Kanton zu verbieten. Es sollte noch bis zum Jahre 1907 dauern, ehe die Heilsarmee sich bleibend in Biel niederlassen konnte.

Bundesrat Ruchonnet aber erklärte: «Ohne Vorbehalt ist die Religionsfreiheit in der Schweizerischen Bundesverfassung gewährleistet, aber weniger bestätigt ist sie noch in unserem Geist und in unseren Sitten.»

 

 

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