Teilung und Verschleuderung des Gemeindegutes

Schlimmer noch und betrüblicher war die bei der Verteilung des Gemeindegutes zutage tretende Gesinnung der Einwohnerschaft. Diese Maßnahme wurde vom Direktorium als Hebel benutzt, um die kurzsichtige Bevölkerung für ihr neues Vaterland, das revolutionäre Frankreich, zu gewinnen. Das Teilungsfieber, von dem, mit wenigen löblichen Ausnahmen, arm und reich ergriffen wurde, schaltete jede bessere Überlegung und Hemmung aus. Alles, was die Gemeinde und die Zünfte an beweglichem und unbeweglichem Vermögen besaßen, wurde verteilt und verzettelt. Einzig die großen Berggüter und Wälder sollten als Gemeinschaftsbesitz verwaltet und genutzt werden.

Gleich zu Anfang hatte man, um die Sache in Schwung zu bringen, den in den Stadtkellern liegenden Wein verteilt und jedem Bürger ins Haus geschickt. Dann kam das Bargeld, der Erlös aus den Zinsschriften und dem reichen Silbergeschirr an die Reihe, darunter die prächtigen herzoglichen Trinkschalen aus der Burgunderbeute. Der Goldschmied, der sie ersteigerte, durfte sich später rühmen, diese Trophäen aus der Heldenzeit in Schuhschnallen umgewandelt zu haben... Jeder Widerstancl war umsonst, vor nichts machte die hungrige Teilungswut mehr Halt. Das Rathaus, die Schul- und Pfarrhäuser sollten unter den Hammer kommen, und schon war auch der Beschluß gefaßt, Kirche, Turm, Glocken und Orgel zu verganten. Dagegen sträubte sich nun doch ein Rest religiöser Gefühle, und der Versteigerung der öffentlichen Gebäude widersetzte sich der französische Grundbuchführer, indem er sie als Staatseigentum erklärte, Es brauchte das Einschreiten des französischen Kommandanten, um die Pasquartallee, wo schon mit dem Fällen einiger Bäume der Anfang gemacht war, vor der Zerstörung zu bewahren. Glücklicherweise fanden sich auch noch Bürger, die sich den Gemeinsinn bewahrt hatten und ihre Stimme gegen den erbärmlichen Handel erhoben. Es gelang ihnen, unter eigenen Opfern einen Teil der verschleuderten Güter wieder an die Gemeinde zu bringen.

Von der Verteilung des Gemeingutes profitierten reiche Spekulanten, die schöne Güter und gute Titel weit unter dem Werte kaufen konnten. Arme Bürger, denen auf einmal ein hübsches Stück Geld in die Hände kam, ließen es nur zu leicht wieder durch die Finger rinnen, wozu besonders «patriotische Gelage» einluden. Die Reichen wurden reicher, die Armen ärmer, und manch einer verhudelte. Der Teilungsunfug zeigt uns eine haltlose, herabgekommene und zur Selbstregierung untauglich gewordene Bürgerschaft, von der alles andere als eine Verjüngung und Erneuerung des Gemeinwesens zu erwarten war. Sie mußte erst durch das Fegfeuer der französischen Willkürherrschaft gehen, um den Wert und die Wohltat selbständigen und verantwortungsbewußten politischen Handelns wieder zu erkennen und zu ermessen.