Bronzenadel aus dem Pfahlbau von Möringen am Bielersee.

Das Bild

Nadel Moerigen 1872

zeigt die im Besitze des Herrn Professor Desor in Neuchâtel befindliche Gegenstand ist eine jener abnorm langen, sowohl in Gräbern als in Pfahlbauten nicht gar selten vorkommenden Nadeln, über deren Bestimmung die Meinungen der Alterthumsforscher so sehr von einander abweichen, dass nach der einen dieselben als kolossale Haarnadeln, nach einer andern als Dölche, nach einer dritten als Kleidernadeln, welche die Gewänder auf der Seite des Körpers zusammenheften, zu betrachten sind.

Die vorliegende Nadel ist von so eigenthümlicher Gestalt und Zusammensetzung, dass wir unter den in antiquarischen Schriften beschriebenen und abgebildeten Dingen dieser Art auch nicht eines von ähnlicher Form aufgefunden haben und desshalb um so weniger die Verwendung derselben errathen können. Betrachten wir dasselbe genauer, so zeigt sich, dass es an zwei verschiedenen in kunstloser Weise vereinigten Stücken besteht. Das eine derselben, der eigentliche Dorn der Nadel, ist ein Draht von 55 cm. Länge, der nach der einen Seite hin, wie bei den gewöhnlichen Nadeln spitz zuläuft, nach der andern aber, und zwar in einer Länge von 8 cm., durch Hämmern einen rectangularen Querschnitt erhalten hat, und in ein plattes Stäbchen ausgeht, das durch seine umgebogene Spitze an dem zweiten Hauptstück befestigt ist.

Dieses Wunderlich geformte Stück erscheint zunächst als eine 8 cm. lange, über den letztgenannten Theil der Nadel geschobene, vierseitige, in einen Ring endigende Hülse, an welchem drei bewegliche Ringe hängen. An einer der Schmalseiten derselben tritt in der Form eines Kreissegmentes eine Art Henkel hervor, neben welchem als Ornament ein Ansatz angebracht ist, das nach unserm Dafürhalten eine Thiergestalt und zwar die eines Sehwanes darstellt. Die Hülse nebst den daran befindlichen beweglichen Ringen, dem Bogen und dem Ansatze sind sämtlich in sehr kunstreicher Weise auf Einmal gegossen. Gewicht 234 Gramm. Die von den Beschauern geäusserten Meinungen betreffend die Bestimmung der an der Nadel nur wenig verschiebbaren Hülse mit ihren Anhängseln und die, Art der Verwendung des Ganzen gehen so weit auseinander und sind, wie mir scheint, so wenig glücklich, dass die Anführung derselben die Kenntniss des Dinges nicht fördern würde. Schon gegen den Namen Nadel, den ich demselben gegeben, ist protestiert und der allgemeine Ausdruck „Gerüthe“ gewünscht worden, obwohl Niemand in Abrede stellen wird, dass dasselbe als Stechwerkzeug gedient hat.

Noch ist zu bemerken, dass, wenn unsere Deutung des Ansatzes auf der Hülse richtig ist, die Nadel in die Reihe der mit kleinen Thierfiguren verzierten Bronzegeräthe gehört, die wir aus den Illustrationen der Hallstatter Alterthümern und vielen andern Abbildungen kennen lernen. Das Bild des Schwanes (oder eines andern Schwimmvogels) ist ein Motiv der Verzierung, das namentlich an Bronzegefässen sehr häufig wiederkehrt, welche etruskischer Kunstfertigkeit zugeschrieben werden.

Es steht also nichts im Wege, unsere Nadel als eingeführte oder nach dem bizarren Geschmack etruskischer Schmuckgeräthschaften in unsern Landen verfertigte Arbeit zu betrachten.

Dr. F. Keller.